Herr Hilfiger, Ihr Firmenlogo besteht aus denselben Farben wie die amerikanische Flagge: Weiß, Rot und Blau. Zufall oder patriotisches Bekenntnis?
O Gott, nein. Meine Farben haben nichts mit Patriotismus zu tun. Meine Inspiration kam von einer nautischen Flagge und ist - ich gelobe es - nicht den Stars & Stripes nachempfunden.
Fällt es Ihnen schwer, sich in diesen Tagen zu Ihrer Heimat zu bekennen?
Ich bin durch und durch Amerikaner. Es gibt viel Großartiges in diesem Land, aber eben auch viele Probleme. Zurzeit sorge ich mich vor allem um das Image der USA. Weil dieser Präsident auf die Idee kam, einen Krieg gegen ein anderes Land vom Zaun zu brechen.
Biografie: Von der Boutique zur Börse
Thomas Jacob Hilfiger wurde am 24. März 1951 als Sohn eines Uhrmachers in der Kleinstadt Elmira geboren. 1969 eröffnete er dort eine Boutique, Mitte der 80er Jahre gründete er in New York das Label "Tommy Hilfiger", das seit 1991 an der Börse notiert ist. Ursprünglich richtet sich Hilfigers Mode, ähnlich wie die von Ralph Lauren, an die weiße Mittelschicht. Seit Mitte der 90er gilt die Marke auch unter HipHoppern als Statussymbol. 2004 erweiterte er sein Unternehmen um die Marke Karl Lagerfeld. Hilfiger hat vier Kinder.
Waren Sie von Beginn an gegen den Irak-Krieg?
Ich habe nie an diese Geschichten über Massenvernichtungswaffen geglaubt. Außerhalb der USA, speziell in Europa, denkt dummerweise jeder, dass alle Amerikaner die Invasion des Irak befürwortet haben. Es mögen an die 50 Prozent gewesen sein. Leute, die offenbar alles glauben, was ihnen aufgetischt wird. Ich kann nur hoffen, dass der nächste Präsident einen besseren Job macht.
Ihre Marke macht momentan mehr Umsatz in Europa, auf dem amerikanischen Markt gibt es massive Probleme. Hat der Krieg sich unmittelbar auf Ihr Geschäft ausgewirkt?
Der Krieg hat dem Modegeschäft geschadet, das ist ganz eindeutig. Doch von massiven Problemen kann man bei uns nicht sprechen. Wir sind in den USA einfach zu schnell zu groß geworden. Jetzt müssen wir uns anpassen, um wieder gesund wachsen zu können.
Was bedeutet das konkret?
In den Neunzigern wollten alle Tommy Hilfiger haben. Wir lieferten immer mehr Ware an immer mehr Läden. Irgendwann war das Angebot größer als die Nachfrage, und die Sachen blieben liegen. Nun richten wir uns neu aus.
Warum ist Hilfiger in den USA Massenware und in Europa eher teuer und exklusiv?
Wir verkaufen in den USA in sehr großen Geschäften, in Europa haben wir eigene Flagship-Stores und sind in eher kleineren Boutiquen vertreten. Grundsätzlich gilt: In Europa wird Mode insgesamt mehr wertgeschätzt.
Woran liegt das?
In Europa hat Mode eine andere Bedeutung. Designer wie Yves Saint Laurent werden als Künstler anerkannt, in Amerika gelten sie nur als Marken-Erschaffer. Bei uns geht es nur um Größe. Wer im Mittelfeld mitspielt, ist ein Niemand. Ich aber gehe viel lieber in ein Restaurant mit vier Tischen als in eines mit hundert.
Ist das der Grund, warum Sie sich mit Karl Lagerfeld zusammengetan haben?
Hilfiger ist eine globale Marke, aber Karl ist eine Ikone. Wir haben uns vor einiger Zeit in seiner Wohnung in Paris zum Kaffee getroffen und übers Geschäft gesprochen. Dabei erwähnte ich, dass ich gern eine Marke eines Edel-Designers kaufen möchte. Darauf sagte er: "Warum kaufst du nicht meine?"
Was versprechen Sie sich von der Kooperation?
Lagerfeld nimmt mir keine Kunden weg, im Gegenteil: Die Marke Hilfiger bekommt durch ihn einen exklusiven, klassischen Touch.
Sie haben selbst deutsche Wurzeln, ihre Vorfahren stammen aus Bayern. Steckt noch etwas typisch Deutsches in Ihnen?
Die Deutschen haben immer den Wunsch, alles perfekt zu machen. Schauen Sie sich nur Mercedes, BMW und Porsche an. Dieses Streben nach Perfektion steckt auch in meinen Genen.
Sie stammen aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Wie hat die Herkunft Ihre Laufbahn geprägt?
Ich bin in einem kleinen Ort als zweites von neun Kindern aufgewachsen. Alle Geschwister mussten arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Viele meiner Mitschüler waren wesentlich besser angezogen als ich oder hatten mit 16 schon ein eigenes Auto. Ich habe Rasen gemäht, Zeitungen ausgetragen, als Tankwart gearbeitet.
Was brachte einen Tankwart ins Modegeschäft?
Ich wäre gerne Rockstar geworden: Mit 17 wollte ich so cool aussehen wie Mick Jagger und John Lennon. Doch bei uns in Elmira gab es nur Baseball, Basketball und American Football. Also bin ich mit Freunden nach New York gefahren, habe mir weite Schlaghosen gekauft und sie dann zu Hause weiterverkauft. Und plötzlich wollten alle so aussehen. 1969 haben wir dann zu dritt den Klamottenshop "People's Place" eröffnet - mit 450 Dollar Startkapital.
Und wie wurde aus dem Verkäufer Hilfiger der Designer Hilfiger?
Ich war mir sicher, dass ich bessere Kleidung kreieren könnte als die, die ich bislang von anderen Firmen gekauft hatte. Nach meinen Entwürfen fertigten dann Näherinnen in der Umgebung eigene Ware an - und die wurde der Renner.
Und dann gingen Sie nach New York und waren wenige Jahre später bankrott.
Ich war erst 22, lebte in New York, hing jeden Abend in Clubs rum, traf David Bowie, T. Rex und Lou Reed und habe meine Geschäfte schlicht vernachlässigt.
Was haben Sie aus der Pleite gelernt?
Man muss diszipliniert sein und die richtigen Leute um sich scharen. Heute beschäftige ich nur die besten Anwälte und Berater.
Sie sind jetzt 54 Jahre alt. Denken Sie bereits darüber nach, in Rente zu gehen?
Nein, nie: Die Marke bin ich. Mittlerweile sehe ich Tommy Hilfiger als Firmennamen an, nicht mehr als meinen eigenen. Ich teile mir meinen Namen mit der Firma.
Das klingt, als sei Ihr Unternehmen Ihre Freundin.
Das behaupten meine Ex-Frau und meine jetzige Freundin auch immer. Dann muss wohl was dran sein.
Und was ist dran, dass Ihre Kinder die Klamotten Ihres größten Konkurrenten Ralph Lauren tragen?
Das tun sie tatsächlich. Und wissen Sie was? Es ist mir völlig egal.
Interview: Michael Streck/ André Groenewoud