Gentechnik: Agrarindustrie begrüßt EU-Einigung - Kritik von Umweltschützern

EU will Regeln für neue gentechnische Verfahren lockern
EU will Regeln für neue gentechnische Verfahren lockern
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Die geplante Lockerung der EU-Regeln für Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen stößt in Deutschland auf ein geteiltes Echo. Während der Industrieverband Agrar die Einigung der EU-Verhandler zu sogenannten Neuen Genomischen Techniken (NGT) als "wichtiges Signal" für die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft begrüßte, äußerten Umwelt- und Verbraucherschützer deutliche Kritik. Der Deutsche Bauernverband warnte unterdessen vor einer "Monopolisierung von Pflanzeneigenschaften".

Die in der Nacht zu Donnerstag erzielte Einigung von Vertretern aus dem Europaparlament und dem Rat der 27 EU-Länder zielt darauf ab, dass künftig mehr neue Pflanzensorten auf den Markt kommen - etwa mithilfe der sogenannten Genschere Crispr/Cas, bei der das Erbgut schneller als mit konventioneller Züchtung verändert werden kann. Befürworter erhoffen sich dadurch neue Sorten, die beispielsweise besser mit Dürren zurechtkommen und weniger Dünger benötigen.

Darauf verweist auch der Industrieverband Agrar: Mit der Einigung ermögliche Europa einen "praxistauglichen Weg zur Nutzung dringend benötigter Innovationen in der Pflanzenzüchtung", erklärte der Verband am Donnerstag. In Zeiten "erschwerter klimatischer Bedingungen, neuer Schaderreger und ambitionierter Nachhaltigkeitsziele" seien die landwirtschaftlichen Betriebe "auf einen breiten Instrumentenkoffer" angewiesen.

Die Einigung auf EU-Ebene sieht für NGT zudem weniger Umweltprüfungen und keine verpflichtende Kennzeichnung im Supermarkt vor. Die Umweltschutzorganisation BUND kritisierte, dass der geplante Wegfall der Kennzeichnung dem erklärten Willen der großen Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher widerspreche. Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte, Menschen müssten "im Supermarkt selbst entscheiden können, ob sie mithilfe von Gentechnik erzeugte Lebensmittel kaufen wollen oder nicht". 

"Die Umwelt sehenden Auges unnötigen Risiken auszusetzen, indem die Risikoprüfung gestrichen wird, ist nicht hinzunehmen", erklärte BUND-Chef Olaf Bandt zudem. Nun komme es deshalb darauf an, "dass Deutschland im Agrarrat diesem Ergebnis nicht zustimmt", forderte er. Der in der Nacht erzielte Kompromiss muss noch im EU-Parlament eine Mehrheit finden, ebenso wie im Rat der Mitgliedstaaten.

Kritisch äußerte sich auch Grünen-Chef Felix Banaszak. Wenn die Einigung tatsächlich zum Gesetz werden sollte, "dann werden 95 Prozent der neuen Gentechnik einfach als 'naturgleich' durchgewunken - ohne Kennzeichnung, ohne Risikoprüfung, ohne Schutz für ökologische oder konventionelle Landwirtschaft", erklärte er. Die Bundesregierung dürfe dem Ergebnis darum "nicht zustimmen", forderte der Grünen-Chef.

Die Interessenvertretung des Agrarhandels in Deutschland, dessen Mitgliedsunternehmen die Landwirtschaft unter anderem mit Saatgut beliefern, begrüßte es hingegen, dass NGT-Pflanzen, "die kein artfremdes Material enthalten und auch herkömmlich hätten gezüchtet werden können", nicht anders bewertet werden sollten als Pflanzen ohne Verwendung neuer Züchtungsmethoden. Dies sei auch ein Signal, dass Europa "innovationsfähig und wettbewerbsfähig" bleiben wolle.

Der europäische Bauernverband Copa-Cogeca lobte die Einigung auf die Lockerungen als "historisch". Damit werde auch auf den dringenden Bedarf an Lösungen dafür eingegangen, dass sich Landwirte an "rasch verändernde Bedingungen" anpassen müssten.

Deutlich kritischer äußerte sich hingegen der Deutsche Bauernverband (DBV) - insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den EU-Verhandlungen auch durchgesetzt wurde, bei NGT Patente zuzulassen, was wiederum Befürchtungen weckt, große Konzerne könnten sich diese Patente sichern, wohingegen kleinere Firmen leer ausgingen. 

"Faktisch enthält der Kompromiss keinerlei ernstzunehmende Maßnahmen, um die Wirkung von Patenten auf Saatgut einzuschränken", monierte DBV-Generalsekretärin Stefanie Sabet. "Die nun zu erwartende Monopolisierung von Pflanzeneigenschaften durch einzelne Unternehmen wird absehbar dazu führen, dass unsere Landwirte und kleine und mittelständische Züchter den Zugang zu wichtigem genetischem Material verlieren", warnte sie.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin teilte mit, dass die vorläufige Einigung der EU-Verhandler nun geprüft werde; beim Umgang mit NGT-Pflanzen gelte es, "verschiedene Interessen abzuwägen". Das Ministerium unterstütze das Ziel, "auf EU-Ebene einen möglichst tragfähigen Kompromiss zu erreichen, der eine gesellschaftlich akzeptierte Regulierung der neuen genomischen Techniken ermöglicht", erklärte ein Ministeriumssprecher. Die Bundesregierung werde sich hierzu "intern weiter abstimmen".

AFP