Anlass für den Konflikt ist Israels Vorgehen im Gazastreifen nach dem Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober 2023. Mehrere Rundfunkanstalten hatten deshalb bereits vor Monaten mit einem Boykott des ESC im Mai 2026 in Wien gedroht. Es gab jedoch auch Länder, die eine Teilnahme Israels zur Bedingung für ihre eigene Beteiligung machten. Auch die Bundesregierung hatte sich gegen eine Ausgrenzung Israels gewandt.
Um den Konflikt zu entschärfen, hatte die EBU im November neue Regeln für den Wettbewerb angekündigt. So sollen unter anderem schon in den Halbfinals professionelle Jurys mit abstimmen und die Regeln für Werbekampagnen verschärft werden. Die in der EBU zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten stimmten bei ihrer Versammlung hinter verschlossenen Türen am Donnerstag offenbar mehrheitlich dafür, das Maßnahmenpaket als ausreichend einzustufen und nicht konkret über eine Teilnahme Israels abzustimmen.
Die EBU-Mitglieder hätten ihre "klare Unterstützung für Reformen zur Stärkung des Vertrauens und Schutz der Neutralität" ausgedrückt, erklärte die EBU. Dies ermögliche es allen Mitgliedern, die diese Regeln akzeptieren, teilzunehmen.
Die ARD begrüßte die EBU-Entscheidung "ausdrücklich". Die nun beschlossenen Maßnahmen dienten dazu, "die Transparenz, Neutralität und Fairness in den Abstimmungs- und Organisationsprozessen des ESC zu festigen".
"Die ARD setzt sich dafür ein, ein Bewusstsein zu schaffen, dass der Zusammenhalt aller Sender die Grundlage für die Stärke und Vielfalt des ESC bildet", hieß es offenbar mit Blick auf die Boykottdrohungen. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sagte der "Bild"-Zeitung: "Israel gehört zum ESC wie Deutschland zu Europa."
Die Sendeanstalten von Spanien, den Niederlanden und Irland kündigten allerdings direkt nach dem Votum in Genf einen Boykott des nächsten ESC an. Unter diesen Umständen sei eine Beteiligung "nicht kompatibel" mit seinen "grundlegenden allgemeinen Werten", erklärte der niederländische Sender Avrotros. Der irische Sender RTE begründete seinen Boykott mit "den entsetzlichen menschlichen Verlusten im Gazastreifen" und der anhaltenden humanitären Krise in dem Palästinensergebiet.
Vorab hatten auch die Sender von Slowenien und Island mit einem Boykott gedroht. Andere Länder wie Belgien, Schweden und Finnland erwogen dies ebenfalls. Das ESC-Motto "United by Music" (Geeint durch Musik) droht zur Farce zur werden.
Spanien zählt zu den sogenannten Big Five, den fünf großen Geldgeberländern des ESC. Außerdem gehörten die spanischen Zuschauer bislang zu den leidenschaftlichsten Fans des Wettbewerbs. Irland ist mit sieben Siegen beim ESC und dessen Vorgänger-Veranstaltungen das erfolgreichste Land des traditionsreichen Musikwettbewerbs. Die Niederlande belegten immerhin fünf Mal den ersten Platz.
Israels Staatschef Isaac Herzog erklärte im Onlinedienst X, Israel verdiene es, "auf jeder Bühne der Welt vertreten zu sein". Er dankte Israels "Freunden, die für Israels Rechte aufgestanden" seien. Der ESC müsse weiterhin nicht nur die Musik, sondern auch die "Freundschaft zwischen den Nationen und grenzüberschreitende kulturelle Verständigung" fördern. Der israelische Außenminister Gideon Saar bezeichnete die Boykottankündigungen anderer Länder auf X als "Schande".
Der Streit um Israel ist die wohl größte Zerreißprobe in der Geschichte des weltweit beachteten Musikwettbewerbs, der im kommenden Jahr zum 70. Mal stattfindet. Neben der Debatte um Israels Vorgehen im Gazastreifen nach dem Hamas-Angriff im Oktober 2023 gab es auch Vorwürfe, Israel könne die Zuschauerabstimmung in diesem Jahr manipuliert haben.
Die israelische Starterin Yuval Raphael hatte im ESC-Finale in Basel im Mai völlig überraschend das Publikums-Voting gewonnen und war dadurch in der Gesamtwertung Zweite geworden. Hinweise auf Manipulationen fanden sich aber nicht, Israel könnte von einer aufwändigen Werbekampagne in Online-Netzwerken profitiert haben.
ESC-Sieger war in diesem Jahr nach Publikums- und Jury-Abstimmung der österreichische Countertenor JJ, weshalb Wien im kommenden Jahr Gastgeber ist.
Der ESC soll neutral und unpolitisch sein. Allerdings hat sich die Weltpolitik immer wieder auf den Wettbewerb ausgewirkt. So darf Russland wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht mehr teilnehmen.