Von der Leyen wollte das Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay eigentlich am Samstag bei einem Gipfeltreffen in Brasilien unterzeichnen. Sie braucht dafür jedoch grünes Licht aus dem Rat der 27 EU-Länder, wo sich eine Sperrminorität aus Frankreich, Italien, Polen und Ungarn abzeichnet.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte sich am Donnerstag bereit gezeigt, der EU deshalb weitere Bedenkzeit einzuräumen. Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni habe ihn um "eine Woche, zehn Tage, maximal einen Monat" Bedenkzeit gebeten, danach sei Italien zu einer Unterzeichnung bereit, sagte Lula vor Journalisten. Lula gab die Bitte nach eigenen Angaben an die drei anderen Mercosur-Länder weiter.
Italiens Stimme gilt als entscheidend, weil die anderen Staaten ihre Meinung kaum ändern dürften. Meloni lehnt das Abkommen nicht kategorisch ab, hatte einer Unterzeichnung noch in dieser Woche aber eine Absage erteilt. Die italienische Regierung sei "bereit, das Abkommen zu unterzeichnen, sobald die Landwirte die notwendigen Antworten bekommen", teilte ihr Büro am Donnerstag mit. Diese könnten "in kurzer Zeit festgelegt werden".
Die Bundesregierung rechnet damit, dass Meloni zeitnah einlenkt. "Das wird zwar jetzt nicht mehr in diesem Jahr abgeschlossen, aber dafür scheint es ziemlich sicher zu sein, dass es kommt", hieß es aus Regierungskreisen. Mitte Januar solle das Abkommen "über die Hürden kommen".
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte beim Gipfel in Brüssel auf einen raschen Abschluss gedrungen, ebenso Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez und sein portugiesischer Amtskollege Luís Montenegro.
Auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zeigte sich optimistisch mit Blick auf einen möglichen Abschluss im Januar. "Heute Abend haben wir einen Durchbruch erzielt, der den Weg für einen erfolgreichen Abschluss des Mercosur-Abkommens im Januar ebnet", sagte sie. "Ich bin zuversichtlich, dass wir die erforderliche Mehrheit haben."
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dessen Land strikt gegen das Abkommen in seiner jetzigen Form ist, wollte sich in der Nacht zum Freitag nicht festlegen, ob Paris im Januar doch zustimmen könnte. Es sei noch zu früh, das zu sagen, sagte Macron. Es seien noch grundlegende Änderungen nötig. Eine breite Mehrheit in der französischen Bevölkerung und der Politik lehnt die Vereinbarung vehement ab.
Um auf die Bedenken einzugehen, hatten Vertreter aus dem Europaparlament und dem Rat der 27 EU-Länder bereits am Mittwochabend eine Zusatzregelung vereinbart. Steigen die Einfuhren von Produkten aus den Mercosur-Staaten stark an und drücken in der EU die Preise, kann die EU-Kommission die Zölle wieder einführen. Frankreich und Italien reichten diese Zusagen aber nicht aus.
In Brüssel demonstrierten tausende Landwirte gegen das Abkommen. Die Polizei sprach von rund 7300 Protestierenden und knapp tausend Traktoren, die über die Stadt verteilt Straßen blockierten. Der Demonstrationszug verlief weitgehend friedlich. AFP-Reporter beobachteten jedoch, wie eine Gruppe Demonstranten am Rande der Proteste Autoreifen anzündete und mit Kartoffeln warf. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Die deutsche Wirtschaft fordert seit langer Zeit einen Abschluss des Abkommens, das vor allem für die Auto- und Chemieindustrie wichtig ist. Der Präsident des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, zeigte sich angesichts der Verschiebung frustriert. "Dass sich die scheinbar endlose Hängepartie fortsetzt, ist kein gutes Zeichen", erklärte er und forderte eine rasche Unterzeichnung im kommenden Jahr.
Das Mercosur-Abkommen soll die Zölle auf 91 Prozent aller zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren abschaffen. Nach Berechnungen der EU-Kommission könnten die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika so um bis zu 39 Prozent wachsen. Während die Europäer unter anderem Autos und chemische Produkte über den Atlantik exportieren, liefern die Mercosur-Länder hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe.