Es war eines der schwersten Unglücke des Jahres: Vor knapp zwei Wochen sank vor der Südwestküste Südkoreas die Fähre "Sewol". 220 Menschen verloren bei dem Unglück ihr Leben, 92 werden noch immer vermisst. Eines der Todesopfer war der 17-jährige Park Su-hyeon, der gemeinsam mit 324 anderen High-School-Schülern an Bord des 6825-Tonnen-Gefährts war. Rettungstaucher fanden seine Leiche, die Polizei barg die persönlichen Gegenstände des Teenagers aus dem Wrack und überbrachte sie seinen Eltern. Unter den Habseligkeiten war auch das Smartphone des 17-Jährigen. Park Jong-dae, Su-hyeons Vater, hat nun die Aufnahmen seines Sohnes aus dem Inneren der Fähre veröffentlicht. Die "New York Times" hat eine englische Übersetzung zur Verfügung gestellt.
"Wird das hier eine weitere Titanic?"
Das insgesamt 15 Minuten lange Video zeigt die ausweglose, erdrückende Situation, in der sich die Teenager befunden haben. Am Anfang überspielen einige der Jugendlichen ihre Angst und Verwirrung mit Scherzen, so fragt einer: "Wird das hier eine weitere Titanic?" Ein anderer, der offenbar nicht realisiert, dass die Fähre sinkt, brüllt: "Das wird eine Menge Spaß, wenn wir das auf Facebook stellen!"
Das Video beginnt um 8.52 Uhr, drei Minuten bevor die Fähre ihr erstes Notsignal abschickt. "Das Schiff kippt", stellt einer der Passagiere in dem Video fest. Dann ertönt eine Stimme aus der Sprechanlage, die die Schüler und Lehrer drängt, an Ort und Stelle zu bleiben, wo sie angeblich sicher seien. "Unsinn", ruft einer der Schüler. Ein anderer sagt: "Ich will hier runter. Das meine ich ernst." Um 8.53 Uhr wiederholt die Crew die Durchsage, die Räume nicht zu verlassen. "Was? Beeilt euch! Rettet uns!", kreischt ein Schüler.
Protokoll des Untergangs
Doch je mehr sich das Schiff zur Seite neigt und die Stimme aus dem Lautsprecher immer wieder dieselben Anweisungen gibt, desto mehr breitet sich Panik an Bord des Schiffes aus. Um 8.55 Uhr, als die Crew das Notsignal schließlich abschickt, schreit einer der Schüler in der Kabine: "Wir wollen nicht sterben." Doch es kommt keine Hilfe. Einige Schüler beginnen, ihren Familien Lebewohl zu sagen: "Das sieht wie das Ende aus" schreit einer der Jungen in das Smartphone. Bevor er den Satz vollenden kann, unterbricht ihn ein anderer Teenager: "Mom, Dad, ich liebe euch."
Um 8.57 Uhr sagt ein Student: "Soll ich meine Mutter anrufen? Mama, ich glaube das ist mein Ende." Nach einer zweieinhalbminütigen Pause setzt das Video um neun Uhr wieder ein. Einige Schüler beginnen, sich Rettungswesten überzuziehen. Um 9.03 Uhr fragt einer der Schüler: "Was macht eigentlich der Kapitän?". Drei Minuten später gibt es erneut die Durchsage, in den Räumen auszuharren und sich Rettungswesten überzuziehen. "Ja, Sir", antworten einige der Teenager in hoffnungsvollem Ton. Einer der Schüler fragt laut: "Was ist los? Wenn die uns sagen, wir sollen Rettungswesten überziehen, bedeutet das nicht, dass das Schiff sinkt?" Um 9.08 sagt ein Schüler: "Ich habe Angst."
Keine Rettung in Sicht
Es sind nicht die ersten Aufnahmen aus dem Inneren der Fähre, doch Su-hyeons Bilder zählen zu den bewegendsten. Sein Video zeigt eindrücklich das Wechselspiel der Emotionen: Aus anfänglichen Scherzen wird Angst und Panik, immer wieder blitzt bei den gefangenen Schülern Optimismus auf, während ein Großteil der Crew, allen voran der Kapitän, das Schiff schnellstmöglich verlassen will. "Das ist die vielleicht herzzerreißendste Szene, die ich in meiner 27-jährigen Karriere im Fernsehbereich gesehen habe", sagt Choi Seung-ho, als er das Videomaterial auf der koreanischen Investigativseite "Newstapa" zur Verfügung stellte. Der Kabelsender JTBC hat eine gekürzte Version veröffentlicht, in der die Gesichter der Schüler unkenntlich gemacht wurden.
Die Crew hat Zeitungsreportern später erzählt, dass sie dachten, es sei für die Passagiere sicherer gewesen, in der Kabine zu bleiben. Sie wollten verhindern, dass eine Massenpanik ausbricht und die Schüler ins kalte Wasser springen, wenn die Rettungsschiffe noch weit weg waren.
Erst 20 Minuten später erreichten Helikopter und Rettungsboote die sinkende Fähre. Ein Video eines anderen Schülers, der ebenfalls bei dem Unglück starb, zeigt Mädchen, die kreischen, als sie die Hubschrauber hören. Sie flehen: "Rettet uns, rettet uns." Doch die ersten, denen die eintreffenden Helfer retten, sind der Kapitän und ein paar Mitglieder der Crew. Weiteres Videomaterial zeigt, dass keiner der anwesenden Offiziere versucht, in die unteren Decks zu gelangen, wo die Schüler eingeschlossen sind. Nun untersuchen Behörden die Aufnahmen im Rahmen der Ermittlungen.