Billige Schnitzel, leidende Tiere Deutschlands Massenschlachtung im Visier

Was Tierschützer schon lange sagen, bestätigt jetzt die Bundesregierung: In Schlachthöfen müssen die Tiere oft unnötig leiden. Der Verband der Fleischindustrie weist die Vorwürfe zurück.

Sommerzeit ist Grill-Hauptsaison. Die Supermärkte und Discounter überschlagen sich derzeit mit Sonderangeboten für Grillwurst, Nackensteaks und Co. Allerdings: Wenn die Kunden sich damit beschäftigen würden, unter welchen Umständen Schweine, Rinder und Geflügel in den Schlachthöfen verarbeitet werden, würde vielen sicherlich der Appetit vergehen.

Etwa jedes zehnte Schwein ist nach einer Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht richtig betäubt, wenn es geschlachtet wird. Bei Rindern seien es neun Prozent, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen mit Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse.

Die grausame Folge für die betroffenen Tiere ist, dass sie bei vollem Bewusstsein getötet werden, etwa, indem sie bei lebendigem Leib kopfüber in ein heißes Brühbad getaucht werden, wo sie ertrinken. In großen Schlachtanlagen werden bis zu 750 Schweine pro Stunde automatisch betäubt. Für das fachgerechte Töten bleibt noch etwa fünf Sekunden Zeit. Puten und Hühner werden zum Betäuben kopfüber durch ein elektrisch geladenes Bassin gezogen. Aber wenn sie dabei vor Angst allzu sehr flattern, werden sie nicht richtig betäubt.

Tötungsverfahren unzuverlässig

Der Verband der Fleischwirtschaft, dem die Großen der Fleischbranche wie das ostwestfälische Unternehmen Tönnies angehören, weist die Darstellung der Bundesregierung zurück. "Die Zahlen, die da kursieren, dafür gibt es überhaupt keine Erhebung, und die Zahlen, die es gibt, sind schon über zehn Jahre alt", sagt Verbands-Hauptgeschäftsführerin Heike Harstick. Inzwischen habe sich einiges getan in den Betrieben. Gerade in den großen Schlachthöfen sei viel automatisiert worden. "Schweine werden in der Regel heute mit Kohlendioxid betäubt, das läuft automatisch ab", sagt Harstick, und betont: "Der Tierschutz ist ein großes Anliegen für uns".

Die Angaben der Bundesregierung stimmen, sagt hingegen die Expertin des Deutschen Tierschutzbundes, Frigga Wirths. Der Arbeitsdruck in den Schlachtbetrieben sei extrem hoch, die überwiegend osteuropäischen Mitarbeiter sehr schlecht bezahlt und ganz häufig schlicht unsensibel für den Umgang mit den Tieren. Und die Betäubungsmethoden seien mangelhaft. Es gebe noch kein Verfahren, das absolut zuverlässig bis zum Eintreten des Todes betäube. Es müsse in dieser Frage viel mehr in die Forschung investiert werden.

Deutschlands Schlachttourismus

Vor allem den Preiskampf in der Fleischindustrie macht Tierschützerin Wirths als Ursache für die Zustände in den Schlachthöfen verantwortlich. Weil es etwa im Unterschied zu Dänemark in Deutschland keinen Mindestlohn in den Schlachtbetrieben gebe, würden inzwischen schon Schweine aus Dänemark und den Niederlanden in Deutschland geschlachtet, weil es billiger sei. "Wir haben eine Art Schlachttourismus".

Notwendig sei auch eine kontinuierliche Schulung des Personals. Letztlich sei aber der Preis, der in Deutschland für Fleisch im Supermarkt gezahlt werde, zu niedrig. In Deutschland habe der Tierschutz zwar einen hohen Stellenwert. Dennoch: "Viele kaufen einfach die billigste Ware, und damit ist ihnen der Tierschutz dann egal", beklagt Wirths. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn ist dagegen überzeugt: "Die Verbraucher wollen (...) keine Billigschnitzel um den Preis, dass eines von 100 Schweinen lebend verbrüht wird."

DPA
Elmar Stephan, DPA

PRODUKTE & TIPPS