Prozess in München Zehn mutmaßliche Mitglieder angeklagt: Das steckt hinter dem Neonazi-Netzwerk "Blood and Honour"

Ein Mitglied von Blood and Honour bei einem Treffen in Budapest
Ein Mann auf einem Treffen von Blood and Honour in Budapest 2006 (Archivbild)
© Laszlo_Beliczay / Picture Alliance
Am Montag hat Prozess gegen zehn mutmaßliche Funktionäre der verbotenen Neonazi-Gruppe "Blood and Honour" begonnen. Das internationale Netzwerk ist noch immer aktiv. Ein Überblick.

Es geht um den Vertrieb von Rechtsrock, Merchandise mit Verfassungsfeindlichen Symbolen, den Verstoß gegen das Vereinigungsverbot und Volksverhetzung: Am Montag hat am Landgericht München I der Prozess gegen zehn mutmaßliche Funktionäre des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour" begonnen. Unter den Angeklagten sollen auch der mutmaßliche "Divisionschef Deutschland" und drei "Sektionschefs" aus Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen sein. 

Das Netzwerk von "Blood and Honour" gilt als eines der ältesten in der Neonazi-Szene und soll als Dachverband für viele weitere Splittergruppen dienen. In Deutschland ist es bereits seit September 2000 verboten. Recherchen diverser Medien zeigen aber, dass das Netzwerk auch heute noch besteht und weiterhin von Mitglieder konspirativ genutzt wird.

"Blood and Honour": Neonazi-Netzwerk noch heute aktiv

Gegründet wurde "Blood and Honour" 1987 von dem britischen Rechtsextremisten Ian Stuart Donaldson, damaliger Frontmann der Rechtsrockband "Skrewdriver". Der Name des Netzwerks ist die englische Übersetzung der Losung der nationalsozialistischen Hitlerjugend "Blut und Ehre". In Deutschland gilt der Ausruf als Verfassungsfeindliches Symbol. 

Donaldson erkannte, dass sich Rechtsrock über organisierte Netzwerke deutlich besser verkaufen lässt. Noch heute ist der Rechtsrock für Neonazis zentrales Element in mehrerer Hinsicht: Die Musik hilft dabei, neue Mitglieder anzuwerben, sie hat die Möglichkeit zu radikalisieren und ist nicht zuletzt wichtigste Einnahmequellen für rechtsradikale Untergrundorganisationen. Wie der thüringische Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer dem ZDF erklärte, werde allein in Thüringen rund eine Million Euro jährlich mit rechtsextremistischer Musik und Konzerten verdient.

Der deutsche Ableger von "Blood and Honour" gründete sich 1994 und wurde von Stephan Lange geführt. Wie später bekannt wurde, bespitzelte Lange für mehrere Jahre als sogenannter V-Mann die Szene und gab Erkenntnisse an den Verfassungsschutz weiter. 

Ob in Großbritannien, Deutschland oder in anderen Ländern der Welt, was die Mitglieder von "Blood and Honour" eint ist eine militant rassistische Ideologie des angestrebten "Rassenkriegs" und die von Donaldson vorgegebene Taktik der "leaderless resistance", dem "führerlosen Widerstand".

Die lokalen Ableger des Netzwerks sollen zwar vernetzt sein, aber weitgehend autark agieren können, um so terroristische Aktionen zu planen und durchzuführen, ohne dass sie Gefahr laufen, etwa durch Verhaftungen zentrale Akteure zu verlieren. Diesem Prinzip folgten auch die Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), die über mehrere Jahre hinweg mindestens neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordeten.

"Combat 18": Der bewaffnete Arm von "Blood and Honour"

Sowohl der NSU als auch der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke, Stephan E., sollen in Kreisen von "Blood and Honour" vernetzt gewesen sein. E. hatte offenbar insbesondere Kontakt zu einer Untergruppierung von "Blood and Honour": "Combat 18". Die Gruppe soll sich selbst als bewaffneten Arm der Dachorganisation verstehen, laut des Bundesinnenministeriums gebe es hierfür allerdings keine Anzeichen. Die Zahl 18 steht in diesem Fall als Chiffre für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet: AH, als Initialen von Adolf Hitler. 

Hitler und Himmler waren seine Helden: Der Jude, der früher ein Nazi war
Hitler und Himmler waren seine Helden: Der Jude, der früher ein Nazi war
© RTL
Hitler und Himmler waren seine Helden: Der Jude, der früher ein Neonazi war

Die militante Gruppe ist verantwortlich für eine Reihe von rassistischen Anschlägen in ganz Europa. Ähnlich wie das "Mutterschiff" "Blood and Honour" propagiert auch "Combat 18" eine Ideologie der Vorherrschaft der "Weißen Rasse". Die Organisationsstruktur ist ebenfalls ähnlich – auch "Combat 18" agiert als führerloses, autarkes Konglomerat vieler versprengter Kleinstgruppen, die zwar formal einem ähnlichen Ziel und der gleichen Ideologie folgen, ihre Aktionen bzw. Anschläge aber individuell planen und durchführen sollen.

Auch Verbote zerschlagen die Neonazi-Netzwerke offenbar nicht

Nach dem Mord an Walter Lübke und einer Reihe von Morddrohungen an Politikern, Geschäftsleuten und Journalisten, die in unterschiedlicher Weise mit "Combat 18" unterzeichnet waren oder andere Merkmale auf eine Verbindung zu der Gruppe aufwiesen, verbot das Bundesinnenministerium die Gruppierung im Januar 2020. 

Als Grund wird genannt, dass sich die Gruppe zur NSDAP und deren Funktionäre bekenne, rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich ausgerichtet sei und eine kämpferisch-aggressive Grundhaltung habe. Insgesamt zählt das BMI etwa 20 Personen in sechs Bundesländern zu "Combat 18" – die Dunkelziffer dürfte allerdings höher liegen.

Ob ein Vereinsverbot aber wirklich zur Zerschlagung der Gruppe führen wird, ist sehr fraglich. Auch bei "Blood and Honour" ist im Nachhinein zu beobachten gewesen, dass die gleichen Personen mit den gleichen Kontakten in Verbindung blieben, und sogar weiterhin konspirative Treffen abhielten, auf denen rechtsextremistische Musik gespielt wurde. In vielen Fällen dann aber nicht mehr unter dem verbotenen Namen "Blood and Honour" sondern häufig als "Division 28", auch dies war als Chiffre für die Buchstaben "BH" zu verstehen – die Initialen für "Blood and Honour".

Für den Prozess gegen die mutmaßlichen Mitglieder von "Blood and Honour" in München sind zunächst 46 Prozesstermine angesetzt. 

pgo

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