Kritik an Krisenmanagement US-Immunologe Fauci glaubt, er habe das Land gerettet. Seine Gegner behaupten, er habe es in den Abgrund geführt

Anthony Fauci
Immunologe Anthony Fauci leitet das Forschungszentrum "National Institute of Allergy and Infectious Diseases".
© Andrew Harnik/ / Picture Alliance
Der Republikaner Peter Navarro bezeichnete den Corona-Berater Anthony Fauci jüngst als "Vater des Virus". Andere Republikaner unterstellen dem Immunologen Panikmache und Ignoranz. Er selbst bezeichnet die Vorwürfe als "bizarr".

Es geht hin und her. Erst hatten Trumps ehemalige Corona-Berater, der Immunologe Anthony Fauci und die Ärztin Deborah Birx, das Vorgehen des Ex-US-Präsidenten in der Pandemie kritisiert, dann schoss der mit einem kruden Statement zurück. In der vergangenen Woche meldete sich dann auch noch der ehemalige Handelsberater des Weißen Hauses, Peter Navarro, in einem Interview bei "Fox News Primetime" zu Wort. Darin bezeichnete er Fauci als "Vater des Virus". Nun setzte wiederum Fauci zur Gegenwehr an, die Aussagen seien "bizarr".

Navarro hatte überhaupt nicht geschmeckt, dass Fauci in einem Interview davon gesprochen hatte, dass die Entscheidung, im Januar 2020 mit der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus zu beginnen, "vielleicht die beste Entscheidung war, die ich je getroffen habe". In einer wilden Tirade nannte der den Immunologen im Gespräch bei "Fox News Primetime" einen Soziopathen und Lügner. Fauci habe mit dem Impfstoff nichts zu tun gehabt. Der Vater des Impfstoffs sei Donald Trump. "Von was ist Fauci der Vater?", fragte Navarro im Gespräch und gab sodann selbst die Antwort: "Fauci ist der Vater des eigentlichen Virus". 

Republikaner schießen verbal gegen Fauci

Navarro hatte einmal mehr die unbelegte These in den Raum gestellt, dass das Virus in einem Labor im chinesischen Wuhan entwickelt worden sei. Er ging sogar so weit, Fauci mit diesem Labor in Verbindung zu bringen. Der Immunologe habe die Finanzierung des Labors unterstützt. Das sind Anschuldigungen, über die Fauci nur den Kopf schütteln kann. Er könne nicht verstehen, warum die Menschen ihn als parteiisch sehen, wenn es doch seine Aufgabe sei, medizinische Antworten auf Viren zu entwickeln. "Ich bin für sie ein Symbol für alles, was mit Dingen zu tun hat, die ihnen zuwider sind, für alles außerhalb ihres eigenen Bereichs", so Fauci in einem darauf folgenden Interview mit "Your World". Es sei bizarr,  "dass Peter Navarro sagt, ich hätte das Virus entwickelt. Ist das nicht seltsam?" 

Im Februar hatten mehrere Wissenschaftler vernichtend über das Krisenmanagement Trumps im Fachjournal "The Lancet" geurteilt. Darin kamen sie zu der Einschätzung, dass die USA Hunderttausende Menschenleben hätten retten können. Dabei bemängeln sie unter anderem, dass Trump die Bedrohung heruntergespielt habe. Auch Fauci und Birx hatten in einer Dokumentation von "CNN" klare Worte gefunden, die Trump erwartungsgemäß nicht auf sich sitzen ließ. In einem Statement nannte er Fauci und Birx vergangene Woche "zwei Selbstdarsteller, die versuchen, die Geschichte umzudeuten, um ihre schlechten Instinkte und fehlerhaften Empfehlungen zu überdecken". 

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© Saul Loeb/AFP
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"Kein Panikmacher"

Trump und Navarro sind nicht die einzigen Republikaner, die gegen den Immunologen wettern. Während auf der einen Seite der Vorwurf im Raum steht, die Einwanderungspolitik der USA sei zu lax, unterstellen andere, dass die Bevölkerung unnötigerweise an zu kurzer Leine durch die Pandemie geführt werde. So berief sich Fox-Moderator Neil Cavuto auf eine Aussage des Senators Marco Rubio. Demnach habe dieser gesagt, es sei zwar Faucis Aufgabe die Öffentlichkeit zu informieren, nicht aber "uns in die Irre zu führen oder zu erschrecken". "Ich glaube nicht, dass mich jemand als Panikmacher bezeichnen würde", erwiderte Fauci. Die Empfehlungen, die ausgesprochen würden, basierten auf der wissenschaftlichen Faktenlage.

Ob denn Präsident Bidens Umgang mit Migranten aus Mittelamerika in Bezug auf Corona wissenschaftlich zu rechtfertigen sei, fragte Senator Lindsey Graham am Freitag per Twitter den Immunologen direkt. Fauci ignoriere das Potenzial von Massenausbrüchen durch illegale Immigration. Einen Stopp der Ausbreitung des Virus sei solange nicht in Sicht, bis die Einwanderungspolitik geändert werde. Er forderte Fauci auf, der Grenze selbst einen Besuch abzustatten, um "persönlich das größte Super-Spreader-Event der Nation zu erleben". Ein Vorschlag, den Fauci von sich wies. Er habe dort nichts zu suchen. "Das ist wirklich nicht meine Aufgabe", sagte er bei "Your World". Dass die Situation an der Grenze schwierig sei, sei bekannt, die Regierung tue alles dafür, diese zu bessern.

Am Samstag warnte Fauci erneut vor einer weiteren, großen Welle in den USA. Im Gespräch mit "CNN" mahnte er, es dürfe nicht vorzeitig ein Sieg ausgerufen werden. Am Freitag seien mehr als 60.000 Neuansteckungen gemeldet worden, das sei beunruhigend. Es gehe darum noch ein wenig durchzuhalten, der Impfstoff werde siegen. "Dies wird nicht ewig dauern", sagte er. Allerdings sprach er auch aus, was bislang weitgehend vermieden worden war. Denn was in Europa bereits Realität ist, eine Verschärfung der Maßnahmen auf Grund der steigenden Infektionszahlen, könne, so Fauci, auch auf die USA zukommen.

tpo

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