US-Präsidentschaftsrennen Ron DeSantis: Der Mann, den die Demokraten mehr fürchten als Donald Trump

Ron DeSantis am Rednerpult vor Einblendung "Awake - Not woke"
Einer wie Donald Trump, nur jünger: Ron DeSantis wird nachgesagt, dass er US-Präsident werden will.
© Lynne Sladky / Picture Alliance
Floridas Gouverneur Ron DeSantis gilt schon länger als Donald Trumps einziger echter Konkurrent im republikanischen Lager. Je näher die Midterms rücken umso mehr Rückenwind bekommt er. Die Demokraten fürchten ihn.

Florida, du hast es besser! Die Sonne scheint ohne Unterlass im Sunshine State. Hier kann man noch Freunde und Familie treffen, die Kinder zur Schule schicken und sonntags zur Kirche gehen, ohne dass einem ein gewisser Dr. Fauci wegen Corona reinredet. Und all' das dank des Gouverneurs, der noch wahrhaft red, white and blue ist, geradeheraus und allen immer die Wahrheit sagt. 

Johnny und Donnie Van Zant jedenfalls sind dieser Meinung. Sie können sogar ein Lied davon singen, denn das ist ihr Beruf. Die beiden Musiker aus Jacksonville sind Brüder der Ende der 1970er bei einem Flugabsturz ums Leben gekommenen Southern-Rock-Legende Ronnie Van Zant, Sänger der Band Lynyrd Skynyrd. In deren Welthit Sweet Home Alabama äußert sich Ronnie auch politisch: "Watergate does not bother me, does your conscience bother you?!" (in etwa: Der Watergate-Skandal kümmert mich nicht, kümmert dich dein Gewissen?). Seine Brüder halten sich mit ein paar Zeilen nicht auf. Sie widmen mit Sweet Florida gleich einen ganzen Song einer politischen Figur: Ron DeSantis.

Ron DeSantis: Der "Top Gov" will ins Weiße Haus

DeSantis, wie die Van Zants in Jacksonville geboren, ist der amtierende Gouverneur Floridas, manche – nicht nur dort – halten ihn für den nächsten Präsidenten der USA. Ihm gefällt der rockige Wahlkampfsong. Das ist im offiziellen Video deutlich zu sehen. Besonders die Stellen, in denen es gegen Anthony Fauci geht, den Gesundheitsberater im Weißen Haus, und gegen US-Präsident Joe Biden selbst haben es dem 43-Jährigen angetan. Dass der Text auf den unter Trump-Anhängern beliebten Slogan "Let's go, Brandon!" verweist, der ein aus einem Missverständnis entstandener Euphemismus für eine Beleidigung Bidens ist, amüsiert DeSantis sichtlich.

Der Mann liegt politisch erkennbar auf einer Wellenlänge mit Donald Trump. Aber: Anders als so viele seiner Parteifreunde folgt er dem früheren Präsidenten nicht. Bei den Midterms im Herbst will der selbst ernannte "Top Gov" im Amt bestätigt werden; das soll den Schub geben für den Weg ins Weiße Haus. Kaum ein politischer Beobachter zweifelt noch daran, DeSantis tut nichts, um den Eindruck zu zerstreuen. Den ersten, den der Floridianer aus dem Weg räumen müsste, dürfte Trump sein. Experten prophezeien schon jetzt ein Hauen und Stechen zwischen den beiden in ihren politischen Einstellungen sehr ähnlichen Männern während der republikanischen Vorwahlen – wenngleich beide ihre Kandidatur bisher nicht verkündet haben.

Kandidatur eine "ausgemachte Sache"

Dass DeSantis Präsident werden will, davon geht selbst der politische Gegner sicher aus. Demokratische Wahlkämpfer in Florida sprechen von einer "ausgemachten Sache" und versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Wer will schon einen Gouverneur, der mit seinen Gedanken bereits halb in Washington ist? So ihre Argumentation. Dass sie verfängt, ist derzeit mehr als unsicher. Florida ist seit mehr als 20 Jahren rot. Mit dem früheren Gouverneur und Ex-Republikaner Charlie Crist nominierten die Demokraten am Dienstag (Ortszeit) zwar einen aussichtsreichen Gegenkandidaten, trotzdem stehen die Zeichen in den Umfragen auf Sieg für DeSantis. Der Gouverneur ist beliebt und durchaus einflussreich: Etliche der von ihm unterstützten Kandidaten haben am Dienstag die Vorwahlen im Sunshine State gewonnen.

Mit wie viel Rückenwind Ron DeStantis inzwischen ausgestattet ist, treibt längst auch die Demokraten auf Bundesebene um. Ganz abgesehen davon, dass nicht wenige sich wünschen, er würde für einen jüngeren Kandidaten oder eine jüngere Kandidatin Platz machen, versuchen sie Joe Biden dahin zu beeinflussen, dass er sich nicht nur auf ein erneutes Duell mit Donald Trump einstellt. Der amtierende Präsident gilt Umfragen zufolge als der aussichtsreichste Gegner für seinen Vorgänger im Amt. Aber wie würde Biden gegen den halb so alten, daher von Natur aus vitaleren und dynamischeren DeSantis aussehen? Selbst wenn der 43-Jährige bei öffentlichen Auftritten spürbar weniger Charisma versprüht als Trump.

Demokraten lassen DeSantis gewähren

"Meiner Meinung nach ist die Aussicht, dass es DeSantis wird, beängstigender", zitiert das US-Polit-Portal "The Hill" einen nicht namentlich genannten Strategen der Demokraten. "Er ist eine klügere Version von Trump, er geht weit strategischer vor, und er hat nicht hundert Klagen an den Hacken." Längst befinde er sich ohnehin in einer Art Wahlkampf. Während seiner gesamten Amtszeit habe DeSantis kaum eine Gelegenheit ausgelassen, Joe Biden für alle angeblichen Fehlentwicklungen im Staat verantwortlich zu machen. DeSantis' Tenor: "Ich möchte dem Präsidenten eine schnelle Genesung von Covid-19 wünschen und Amerika eine schnelle Genesung von Biden wünschen." 

"Es ist für mich unerklärlich", bilanziert Fernand Amandi, ehemals Berater der Wahlkampfmannschaft von Barack Obama, "warum – nicht nur Joe Biden – sondern das gesamte demokratische Establishment nicht versucht, ihn jetzt im Rennen um das Gouverneursamt zu disqualifizieren." Stattdessen bekomme DeSantis praktisch einen Freifahrtschein, er habe kein Schamgefühl und er benehme sich, wie jemand, der sich niemandem gegenüber verantwortlich fühlt, so Amandi. 

Für Trump gefährlich, weil er wie Trump ist

Was Biden vielleicht nicht ist, ist Trump ganz bestimmt: eine Hürde. Die Fixierung großer Teile der eigenen Partei auf Donald Trump steht DeSantis erst einmal im Weg. Dass ihm die Justiz beispringt und den Ex-Präsidenten wegen eines der zum Teil schweren Vergehen, die ihm aktuell zu Last gelegt werden, aus dem Verkehr zieht, darauf kann sich der erklärte "Verfechter der Freiheit" nicht verlassen. Sollte Trump allerdings wider erwarten doch "verhindert" sein, dann wäre die Bahn für den Juristen mit Harvard-Abschluss frei. Nicht nur, weil er hinter Trump der Republikaner mit der größten Zustimmung zu einer Präsidentschaftskandidatur ist, sondern auch, weil sich die Trumpisten nicht groß umstellen müssten. Nicht einmal an neue Gesten müssten sie sich gewöhnen, wie das Video-Portal "The Recount" beobachtet hat.

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DeSantis' große politische Nähe zu Donald Trump macht ihn nach Ansicht politischer Beobachter zu dessen gefährlichstem Gegner. Die Stimmung scheint peu à peu in Richtung des deutlich jüngeren der beiden Kontrahenten zu kippen, weil er ideologisch alles bietet, was der Ex-Präsident bietet, aber "kein Hochstapler und kein Lügner ist", wie die rechtskonservative Kolumnistin Anne Coulter schon Anfang des Jahres konstatierte. Und weil er als Gouverneur schon geliefert hat.

Im "befreiten Florida" hat DeSantis unter anderem per Gesetz die kritische Auseinandersetzung mit Rassendiskriminierung  sowie die Thematisierung von Homosexualität und sexueller Selbstbestimmung im Unterricht aus den Schulen verbannt. Disney World, einem der wichtigsten Arbeitgeber und Steuerzahler in Florida, hat der Gouverneur planungsrechtliche Privilegien entzogen, weil sich das Unternehmen gegen das "Stop woke"-Gesetz stemmte. Bei Corona propagierte er ein "Augen zu und durch": Keine Auflagen, dafür ein Verbot von Impfpässen. Tagtäglich 244 Covid-Tote zum Höhepunkt der Pandemie im Herbst 2021 haben DeSantis nicht geschadet. Er wird vielmehr als Garant der Freiheit gefeiert. In einer Wahlrechtsreform hat er die Briefwahl erschwert und das Aufstellen von Wahlurnen im Freien begrenzt. Dazu Abtreibungsverbot nach 15 Wochen und ein "Anti-Aufruhr"-Gesetz in erster Linie gegen Black Lives Matter-Proteste. Einige dieser Regulierungen werden noch gerichtlich angegriffen.

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Am Florida-Wesen sollen die USA "genesen"

An diesem Florida-Wesen sollen nach der Vorstellung von DeSantis die gesamten USA "genesen". "Ich habe gerade erst angefangen zu kämpfen", lässt sich der Vater dreier Kinder immer wieder vernehmen. Schon sind T-Shirts, Mützen, Flaggen zu sehen: "DeSantis 2024: Make America Florida". Autorisiert sind diese Merchandising-Artikel nicht, DeSantis lässt sie aber auch nicht verbieten. In seinem Heimatstaat würde der Gouverneur Trump im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur bereits klar hinter sich lassen. Bundesweit schart Trump laut einer Umfrage für die "New York Times" "nur" noch knapp die Hälfte der Republikaner hinter sich – auch wenn prominente Republikaner den Eindruck erwecken, die Partei stünde gleichsam blind hinter ihm.

Trump, so heißt es, spürt, dass ihm die Felle davon zu schwimmen drohen. Früher war der Ex-Präsident Mentor des Mannes aus Florida, der seinen 2018  hauchdünn gewonnenen Gouverneurs-Posten wohl tatsächlich der Unterstützung Trumps zu verdanken hat. Wie es Trumps Art ist, vergisst er nie, das zu erwähnen, wenn die Rede auf DeSantis kommt. "Wir haben ein gutes Verhältnis", zitiert beispielsweise das "New York Magazine" den Ex-Präsidenten. Der dürfte sich von DeSantis aber verraten fühlen, auf Illoyalität reagiert Trump bekanntlich allergisch. Doch DeSantis' politische Haltung ist so nah bei Trump, dass dieser keinen Anhaltspunkt findet, gegen den Emporkömmling so auszuteilen wie er es sonst für gewöhnlich tut.

Schon seit einiger Zeit vermeiden die beiden gemeinsame Auftritte; selbst wenn sie zu denselben Veranstaltungen geladen sind – wie etwa die jährliche Messe der US-Konservativen, die CPAC. In ihren Reden erwähnen sie den Namen des jeweils anderen nicht. Es wirkt alles, als hebe man sich die Munition für den Vor-Wahlkampf auf. Dann allerdings wird die Konfrontation wohl unausweichlich werden.

Für die Demokraten bedeutet all' das: "Biden muss mehr Zeit in Florida verbringen, gegen DeSantis antreten und ihm nicht die komplette Bühne überlassen", so ein Parteistratege zu "The Hill". "Wir dürfen uns nicht wundern, wenn er plötzlich als Favorit der Partei dasteht. Wir sehen diesen Zug auf uns zukommen."

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