Die chilenische Regierung hat in den am schlimmsten betroffenen Gebieten Maule und Bío Bío den Ausnahmezustand verhängt. Zu Pferd und zu Fuß gehen Polizisten gegen Plünderer vor, mehr als 10.000 sind mittlerweile im Einsatz. Zugleich kündigte Präsidentin Michelle Bachelet am Sonntag einen Aktionsplan an, der die Verteilung von Lebensmitteln, Decken und Medikamenten an Hunderttausende Bedürftige vorsieht.
Die Zahl der registrierten Todesopfer des Bebens der Stärke 8,8 vom Samstag wurde mit 711 angegeben. Sie werde in nächster Zeit noch weiter steigen, sagte Innenminister Edmundo Pérez Yoma. "In den Küstenregionen hat ein Tsunami ganze Ortschaften fortgerissen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten werden wir bekommen."
Bachelet bittet Ausland um Hilfe
In der Stadt Concepción etwa 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, wo es zuvor zu zahlreichen Plünderungen gekommen war, leerten sich in der Nacht zum Montag wegen einer Ausgangssperre die Straßen. Nur wenige Menschen wagten sich aus den Häusern. Am Tag kam es bei der Verteilung von kostenlosen Lebensmitteln zu Rangeleien. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.
Der designierte Präsident Sebastiàn Piñera kündigte einen Wiederaufbauplan für das Land an. Bis zu seinem Amtsantritt in der kommenden Woche stimme er sich mit der amtierenden Staatschefin ab, damit im Kampf um die Überwindung der Katastrophe Kontinuität gewährleistet sei, sagte Piñera nach Radioberichten vom Montag.
Erstmals bat Bachelet auch das Ausland um Hilfe. Chile benötige Unterstützung für Krankenhäuser, Behelfsbrücken, Kommunikationseinrichtungen, Rettungsexperten, Statiker und Wasserentsalzungsanlagen. "Die UN, insbesondere der Nothilfekoordinator, stehen bereit", sagte Generalsekretär Ban Ki Moon in New York.
Genaue Zahl der Obdachlosen bislang unbekannt
Auf dem erheblich beschädigten internationalen Flughafen von Santiago landete am Sonntag erstmals wieder eine Passagiermaschine. Die EU-Kommission gibt drei Millionen Euro als Soforthilfe. Erste Hilfsmannschaften aus Deutschland machten sich auf den Weg ins Katastrophengebiet. Über deutsche Opfer lagen dem Auswärtigen Amt in Berlin keine Informationen vor.
Vor allem in Maule und Bío Bío gelten zahlreiche Menschen noch als vermisst. Die genaue Zahl der Obdachlosen war unbekannt. Bachelet hatte von 1,5 Millionen zerstörten oder beschädigten Wohnungen gesprochen. In der Stadt Concepción, die dem Epizentrum des Bebens am nächsten liegt, plünderten Menschen Apotheken und andere Geschäfte.
Bilder des Schreckens in den Küstenorten
Die Bürgermeisterin Jacqueline van Rysselberghe versuchte, über ihr Handy Hilfe von der Zentralregierung in Santiago zu bekommen. In der Stadt mit mehr als 200 000 Einwohnern gab es weder Strom noch Wasser. Bewohner fuhren mit Autos umher, immer auf der Suche nach Lebensmitteln oder Medikamenten.
Während die befürchteten Riesenwellen über den Pazifik ausblieben, verschlimmerten die Wassermassen in Chile das Elend noch. "Es bebte und dann kam das Meer in unser Haus, es reichte uns bis zum Hals", sagte eine Einwohnerin von Iloca im Süden des Landes. In der Stadt Talcahuano bot sich wie in vielen anderen Küstenorten ein Bild des Schreckens: Während selbst größere Schiffe bis ins Stadtzentrum geschwemmt wurden, dümpelten Reste von Holzhäusern im Meer.