Bereits im August 2020 erhob die Dresdner Staatsanwaltschaft Anklage gegen sechs Bedienstete der Justizvollzugsanstalt der Stadt. Den Männern wird unter anderem gefährliche Körperverletzung im Amt vorgeworfen – zumeist gegen Inhaftierte aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum. Nun will "Focus Online" an die WhatsApp-Chats der Beschuldigten gelangt sein. Die Verfasser bejubeln explizit beschriebene Gewalttaten und teilen rassistische Äußerungen.
Laut "Focus Online" beschreiben die Chats Vorfälle aus dem Jahr 2018. Die Nachrichten seien bei der Überprüfung eines Beamten-Handys in einem anderen Verfahren entdeckt worden und anschließend ebenfalls zum Gegenstand von Ermittlungen geworden. Vergangenen Sommer hat die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage erhoben.
Die sechs Beschuldigten sind laut Informationen des Online-Portals Männer und zwischen 29 und 57 Jahre alt. Wie der MDR Sachsen unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtete, handele es sich bei einem der Männer zudem um einen suspendierten Bediensteten, der im Chemnitzer Mordfall Daniel H. Informationen geleakt haben soll.

Inhaftierte sollen als "Mister Schiefnase" und "der Wichser" betitelt worden sein
Die Inhalte, die der "Focus Online"-Redaktion zugespielt worden sein sollen, stammen demnach aus einer WhatsApp-Gruppe mit dem Namen "G1" – dem JVA-Bereich der sechs Beschuldigten. Sie zeigen dem Bericht zufolge rassistische und menschenverachtende Nachrichten, detailreiche Gewalterzählungen und Zuspruch für die Taten. Über einige der Inhaftierten sei darin mit Namen wie "Mister Schiefnase" oder anderen Beschimpfungen gesprochen worden sein.
In einem Fall hätten die Beschuldigten über Gewalt gegen den Gefangenen Hamza C. gesprochen. Die JVA-Bediensteten erklären demnach, dass C. in einem "besonders gesicherten Haftraum" untergebracht sei, weil er zuvor einen Beamten attackiert haben soll. Er wird in einigen der zitierten Nachrichten zudem als "der Wichser" betitelt.
Bei einer Sicherheitskontrolle mit Taschenlampe habe sich C. hinter einer Matratze versteckt, woraufhin drei Beamte die Zelle betreten hätten. So erzählt es "Focus Online" nach. In dem Chat-Verlauf hätten die Beschuldigten schließlich die Gewalt gegen Hamza C. beschrieben: „Tür auf, wir rein. Plötzlich fiel doch die Matratze um und wir haben uns alle drei so erschrocken, dass reflexartig die rechte Gesichtshälfte des Delinquenten massiert wurde ... als federleichte 88 kg auf seinem Kopf in Stellung gegangen sind, wurden ihm anschließend sämtliche Gelenke massiert und die Nieren ausgeklopft..."
Ein weiterer Teilnehmer der WhatsApp-Unterhaltung soll daraufhin mit "Geil!" reagiert haben. Die Staatsanwaltschaft sei nach ihren Ermittlungen zu der Erkenntnis gekommen, dass C. grundlos körperlich angegriffen worden sei. Hamza C. habe von dem Angriff Schmerzen und mehrere Blutergüsse davongetragen.
"Wie Karpfen am Festland aufgeklatscht"
Eine weitere Unterhaltung, aus der "Focus Online" zitiert, betreffe zwei arabische Inhaftierte. Aus welchem Land sie stammen, wird in dem Text nicht präzisiert. Sie sollen ihre Zelle absichtlich unter Wasser gesetzt haben. Die JVA-Beamten hätten beschrieben, wie sie Gefangenen in den gefluteten Raum zurückgedrängt haben: "Zwei Araber wollten nicht in ihren mit Wasser gefluteten Haftraum. Mussten wir sie reinschieben. Da die zwei nicht surfen konnten, sind sie natürlich wie Karpfen am Festland aufgeklatscht." Und weiter: "Sah wirklich geil aus, wie es die zerwichst hat. Der eine hat sogar am Hinterkopf gesuppt..."
Andere Teilnehmer des Chats sollen daraufhin Genugtuung über den Vorfall geäußert und Witze darüber gemacht haben. Wie es in dem Bericht weiter heißt, seien auch Ratschläge in den Chats gefallen. So soll ein Beamter bei der Ausführung von körperlichen Zwangsmaßnahmen geraten haben, nicht zu übertreiben, "zumindest nicht sichtbar". Ein anderer habe geschrieben, ihm werde "immer erklärt", dass er "keine Spuren hinterlassen" soll. Vermutlich von anderen Kollegen oder Kolleginnen.
JVA-Chefin spricht gegenüber Journalisten von "Einzelfall"
Die Beschuldigten sollen die Vorwürfe dem Bericht zufolge nach wie vor bestreiten. Im Gespräch mit den Journalisten habe einer erklärt, es handele sich bei den Chat-Verläufen um "dummes Gequatsche auf Stammtisch-Niveau". Die beschriebenen Vorfälle seien notwendige Maßnahmen gewesen.
Auch die Leiterin der JVA Dresden, Rebecca Stange, hielt sich gegenüber "Focus Online" bedeckt. Es habe sich um einen Einzelfall gehandelt und es gebe keine Anhaltspunkte bei anderen Bediensteten und auch keine weiteren Verfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung.
Der "Einzelfall" erstreckt sich neben den Vorfällen rund um Hamza C. und die beiden Inhaftierten aus der gefluteten Zelle allerdings auch über weitere Inhaftierte. Viele von ihnen waren Gegenstand von Ermittlungen der Dresdner Staatsanwaltschaft. Wann und ob es in der Sache zu einem Prozess kommen werde, sei aber noch nicht bekannt.
Quellen: "Focus Online" / MDR Sachsen / "Spiegel"