Neulich habe ich an dieser Stelle den Kardinalfehler aller Kolumnisten begangen: einen Plan zu haben (schlimm genug) und ihn zu verraten (absoluter Anfängerschnitzer). Bis Jahresende, hatte ich großmäulig verkündet, will ich einen Handstand können, etwas, das ich in meinem ganzen Leben noch nie geschafft habe. Seitdem werde ich von allen Seiten gefragt: Na, was macht der Handstand? Schon Fortschritte? Zumindest Kopfstand? Wie jetzt, nicht mal ne Kerze?
Seufz. Aus der Nummer komme ich nicht mehr raus, das habe ich eingesehen, also tat ich, was man in solchen Lagen immer tut: etwas im Internet bestellen. In diesem Fall einen sogenannten Kopfstandhocker, ein Holzgestell mit Aussparung für den Kopf und Polster für die Schultern, mit dessen Hilfe Yogis die sogenannten Umkehrhaltungen üben können. Umkehrhaltungen – Kopf tiefer als Po – sollen sowohl für Hirn wie für Verdauung gut sein, für die Wirbelsäule sowieso, sind zudem ein zumindest behauptetes Anti-Aging-Mittel, und die inneren Organe sortieren sich irgendwie auch neu.
Mein Hang zu vermeintlich nützlichen Hilfsmitteln
Ich habe eine große Schwäche für Gerätschaften, die in einem Rutsch sämtliche Malaisen der Menschheit lösen, und der Kopfstandhocker scheint gleich auch noch mein selbstauferlegtes Problem zu erledigen, nämlich mich genickbruchsicher in Richtung Handstand zu bewegen.
Nur ein Problem wird nicht gelöst: der ärgerliche Umstand, dass man das Ding auch benutzen muss, damit es wirkt. Stattdessen steht es hochkant an der Wand und meine Internet-Recherchen verschieben sich sachte von "Wie trainiert man einen Handstand?“ zu "Warum man lieber keinen Handstand machen sollte“.
Die Kraft der Einbildung
Ist bekannt, nicht? Man ist besten Willens und kauft erst mal das passende Equipment in dem festen Glauben, dass der blanke Besitz des Zeugs per Voodoozauber ungeahnte Kräfte in einem weckt. Es gibt interessante psychologische Experimente in diesem Bereich: Golfern wurde ein Schläger in die Hand gedrückt, der angeblich dem Profi Ben Curtis gehört hatte (was nicht stimmte) – und siehe da, die Probanden spielten besser denn je. Eine wunderschöne Strickjacke hingegen verschmähten die Probanden als Geschenk, als sich herausstellte, dass sie mal dem Serienmörder Fred West gehört hatte. Ein Schläger ist ein Schläger, eine Jacke eine Jacke, aber irgendwie …
Selbst unbelastete Gegenstände können eine seltsame Macht ausüben, wer wüsste es besser als ich? Vor einigen Jahren habe ich mein Leben radikal entrümpelt und darüber eine Titelgeschichte geschrieben, "Mach dein Leben leichter“. Seitdem gelte ich als Spezialistin für das einfache Leben, was einerseits schön, andererseits falsch ist, denn die Wahrheit ist: Ich bin wieder voll druff. Ein lehrbuchreifer Rückfall: Ich kaufe Bücher, als ob sie morgen verboten würden, bevorzugt Dünndruckausgaben von Klassikern und absurd teure Kunstbände. Die Pracht stapelt sich auf allen planen Oberflächen, ein Hochgebirge der Belesenheit. Scheinbar.
Staubfänger für die Zukunft
Denn Wahrheit Nummer zwei lautet: Ich lese das alles gar nicht. Ich will es nur haben. Für irgendwann, wenn ich endlich Zeit für 2288 Seiten "Krieg und Frieden“ und das Gesamtwerk von Gio Ponti habe. Ich betrachte meine Kaufräusche als Investment, als Altersvorsorge. Die Bücher sind wie geistige Rollatoren, Stütze und Mobilität meines letzten Lebensdrittels. Zudem ist die Wirkung auch nicht gelesener Bücher frappierend: Ich gehe mehrmals täglich an den Bänden vorbei und fühle mich zehn IQ-Punkte schlauer. Schlau genug, um einzusehen, dass ich in diesem Leben keinen Handstand mehr machen werde? Ach, so schlau nun wieder auch nicht.