In all dem Chaos, den der Hurrikan "Katrina" hinterlassen hat, geistern auch viele Horrorszenarien durch die Medienwelt. Wir räumen mit den zehn verbreitetsten Irrtümern über die Katastrophe von New Orleans auf.
1. Die Stadt ist zerstört
Nein. New Orleans, wie es die Touristen kennen, ist am wenigsten zerstört. Die Dammbrüche führten zu Überschwemmungen in einem riesigen Gebiet, vor allem von Wohnvierteln mit schwarzer, eher armen Bevölkerung. Das berühmte French Quarter, das Zentrum mit den Hochhäusern sowie der Garden Distrikt mit seinen viktorianischen Gebäuden sind nur teilweise verwüstet und scheinen durchaus voll restaurierbar. Auch Bürgermeister Ray Nagin verspricht raschen Wiederaufbau.
2. Die Katastrophe hat in ihrem Ausmaß überrascht
Nein, in Studien, Büchern, Aufsätzen und sogar in jüngsten Übungen der Katastrophenschutzbehörde wurde seit Jahren präzise vorausgesagt, was im Falle eines "Monster-Hurrikans" in New Orleans passieren wird. Aber offensichtlich hat niemand eine angemessene Antwort gesucht und dann politisch umgesetzt.
3. Tausende von Menschen im Convention Center und Superdome waren vom Verhungern und Verdursten bedroht
Das scheint nach ersten Bilanzen der US-Medien stark übertrieben. Die Menschen mussten tagelang mit entsetzlichen Zuständen fertig werden, ohne Strom, mit viel zu wenig Wasser und Lebensmitteln. Kranke und Behinderte starben den städtischen Behörden zufolge mangels medizinischer Betreuung, Flüchtlinge berichteten von Gewalt und Vergewaltigungen, Hunger und Durst war für viele quälend - insgesamt muss es der Horror gewesen sein, aber verdursten oder verhungern musste niemand.
4. Der Superdome muss abgerissen werden
Wahrscheinlich nicht. Der Stolz des sportbegeisterten New Orleans mit seinen 72.000 Sitzplätzen, 1975 für 150 Millionen Dollar erbaut, ist zwar verwüstet, das Dach schwer beschädigt. Aber nach Aussage der zuständigen Baufirma scheint eine Restaurierung nicht unmöglich, auch wenn Kosten von 100 Millionen Dollar befürchtet werden.
5. Rettungskräfte und Hilfsgüter wurden nach ersten Pannen koordiniert im Notstandsgebiet eingesetzt
Stimmt laut Medienberichten nicht. Bis Freitag waren Feuerwehrleute laut einem CNN-Bericht noch immer tatenlos in Lagern und Hotels untergebracht. Der Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, berichtete von vielen Firmen, die vergeblich Hubschrauber, Boote und andere Güter angeboten hatten, aber keine Ansprechpartner fanden. Ärzte und Psychiater beschuldigten im Fernsehen die Behörden, trotz des Elends die vorhandenen Kräfte nicht ausreichend eingesetzt zu haben.
6. In der Katastrophe mangelt es Amerikanern an Solidarität, in Krisen bricht Gewalt aus
Der Tenor so mancher Kommentare in den USA und im Ausland stimmt in dieser Verallgemeinerung sicher nicht. In den Auffanglagern New Orleans muss es zwar grauenhaft zugegangen sein, Zeugen berichten vom Terror krimineller Banden. Heckenschützen und Plünderer wurden noch in diesen Tagen festgenommen. Hintergrund: New Orleans hat eine besonders hohe Kriminalität, die Mordrate pro Kopf ist sieben Mal höher als in New York. Aber in Louisiana und anderen Bundesstaaten haben tausende US-Bürger wildfremde Flüchtlinge aufgenommen. Eine ungeheure Welle der Hilfs- und Spendenbereitschaft von Hollywoodstars über Belegschaften bis zu Schulkindern ist im ganzen Land in vollem Gange. Konzerne und Firmen leisten freiwillig enormes.
7. Die US-Regierung trägt die Verantwortung für das Ausmaß der Katastrophe
Stimmt nur bedingt. Im föderalen US-System sind zunächst Städte und Bundesstaat verantwortlich. Aus Louisiana scheint der Ruf nach Bundeshilfe sehr spät gekommen zu sein, allerdings dann mit einer offensichtlich kläglichen Resonanz in Washington. Nicht nur konservative US-Medien berichteten, dass es US-Präsident George W. Bush war, der zu einer Evakuierung New Orleans drängte.
8. Für den Einsatz in New Orleans fehlten Nationalgardisten, weil sie im Irak im Einsatz waren
Von den knapp 10.000 Nationalgardisten Louisianas, die der Gouverneurin unterstehen, sind ein Drittel im Irak. Die übrigen wurden aber zunächst teilweise eingesetzt.
9. Staatsgelder für den Katastrophenschutz wurden gekürzt, um Geld für den Irakkrieg zu haben
Kaum haltbar, schreibt die "Washington Post". Unter Bush erhielt das relativ bevölkerungsarme Louisiana mit 1,9 Milliarden Dollar mehr Geld für den Zivilschutz als jeder andere US-Bundesstaat.
10. Die ungeheuren Sachschäden von bis zu 600 Milliarden Dollar belasten Versicherungen und Rückversicherungen weltweit
Allerdings berichtete das "Wall Street Journal", dass die Aktienkurse britischer Versicherungskonzerne stiegen, weil sie nun mit höheren Versicherungsprämien und einen Anstieg von Neuversicherungen rechnen.