Kinderlachen schallt durch das kleine "Café Niesen" im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Bauklötze klappern, zwei Jungen spielen Fangen. Mittendrin einige Mütter, die ihre Babys stillen. Ein typischer Nachmittag in dem Ecklokal, das als sehr kinderfreundlich gilt - jedenfalls bisher. Denn seit Jahresbeginn gibt es hier eine "kinderfreie Zone" oder, freundlicher ausgedrückt, ein Séparée, das nur Erwachsenen offensteht. Doch um den kleinen Ruheraum ist jetzt ein Streit entbrannt.
"Das ist eines der Symbole dafür, dass sich Deutschland in eine kinderentwöhnte Gesellschaft entwickelt", sagt der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Und auch die Berliner Parteien fühlen sich von dem Angebot auf den Plan gerufen. So hält die SPD die Abtrennung für "eine geschmacklose Aktion".
Dabei sollen die etwa acht Stühle und die Polstersitzecke im kinderreichen Berliner Szene-Viertel Prenzlauer Berg nur ein Rückzugsort für gestresste Eltern, Pärchen und Zeitungsleser sein. Nadja Willner (33) kommt regelmäßig ins Café. In das Nebenzimmer würde sie sich nicht setzen. "Das hat so was von Raucherraum." Separierung jeder Art finde sie "etwas gruselig".
"Kinder machen keinen Lärm"
Sandra Merseburger sitzt dagegen gerne dort. "Wenn hier in den Stoßzeiten 20 kleine Kinder rumrennen, gehe ich rüber - das ist besser, als wenn die ganze Zeit Schreialarm angesagt ist", sagt die kinderlose 36-Jährige. Doch Kinderschutzbund-Chef Hilgers bleibt dabei: "Kinder machen keinen Lärm, sie drücken ihre Lebensfreude aus. Das sollte Musik in den Ohren der Gesellschaft sein", sagt er.
Wenn jemand in Prenzlauer Berg ausgegrenzt werde, dann seien das bestimmt nicht die Kinder, sondern die Paare ohne Nachwuchs und die Singles, findet Olivia Kraußer. "Man fühlt sich echt als Minderheit hier." Als sie vom Angebot hörte, dachte sie, alle Kinderlosen würden hierher verbannt, sagt die 33-Jährige und lacht. Die schnullerfreie Zone findet sie in Ordnung. "Es ist einfach eine Erweiterung des Cafés." Eine Kinderecke gebe es schließlich auch, warum also keine Erwachsenenecke?
Das sieht der Mitinhaber des Cafés, Klaus Schulte, genauso. Die Aufregung ärgert ihn. Immer wieder hätten sich Gäste über die herumwuselnden Kinder beschwert. Die Idee sei von Eltern selbst gekommen, "damit sie mal in Ruhe ihr Süppchen essen können". Dies sei weder diskriminierend, noch ein Affront gegen Kinder, beteuert der 49 Jahre alte Vater einer vierjährigen Tochter.
Mütter reagierten "hysterisch"
Bei aller Kinderliebe: "Es gibt doch definitiv mal den Moment, wenn man entnervt ist von dem Geschrei", sagt Schulte. Einige Mütter hätten "hysterisch" reagiert und sich demonstrativ mit ihrem Nachwuchs in das stille Zimmer hineingesetzt. Das seien aber Einzelfälle gewesen, betont Schulte.
Auch der junge Vater Christian Schmitz ist begeistert. "Kinderfreie Zone? Cool!" Hier könnten sich die Singlefrauen dem sozialen Druck entziehen. Immer wieder höre er von kinderlosen Freundinnen, die sich zwischen den vielen Müttern in ihrem Kiez wie ein Fremdkörper vorkommen: "Du hast keinen Kinderwagen dabei, bist nicht schwanger, hast keinen Mann - was macht du dann in Prenzlauer Berg?"