Was hat die Krise bisher mit der Liebe gemacht?
Manche Paare kommen in dieser schwierigen Zeit besser zurecht als vorher, bei anderen wirken die Einschränkungen wie ein Verstärker der Schattenseiten: Bereits vorhandene Konfliktthemen oder Streitmuster treten massiver auf. Viele Paare konnten sich vor der Krise durch räumlichen Abstand und Aktivität in Balance halten. Jetzt kommt zum Vorschein, was vorher unter den Teppich gekehrt wurde.
Warum kommen manche Paare sogar besser klar als vorher?
Diese Partner haben eher unbewusst eine sinnvolle Entscheidung getroffen: "Wir müssen da jetzt gut zusammen durchkommen.“ Das hilft, nicht sofort – wie sonst vielleicht üblich – jede Möglichkeit zum Streit aufzugreifen.
Was könnte die Ausnahmezeit bei Paaren für langfristige Folgen haben?
Krisen wie Corona sind eine ungemeine Chance, gemeinsam zu wachsen. Manche Paare sind mit ihrer Sexualität nicht zufrieden, aber jahrelang darüber hinweggegangen. Nun haben sie Zeit, sie kommen aneinander nicht vorbei. Auch wenn es erst mal ängstigt, sich verletzbar zu zeigen – es ist gut, endlich darüber zu sprechen. Es muss aber nicht unbedingt um Sex gehen. Mir fällt eine Frau ein, die sich schon lange darüber geärgert hatte, dass die erwachsene Tochter aus der ersten Ehe ihres Partners so viel Raum einnahm. Es störte sie, dass der Mann ihre gemeinsame Zeit sofort unterbrach, sobald die Tochter etwas wollte. Durch die Kontaktsperre kann sie sich nicht mehr so gut ablenken, wenn sie sich zurückgesetzt fühlt – das Thema ist im Raum, die beiden müssen jetzt um eine Lösung ringen.
Als Therapeutin haben Sie oft Paare vor sich, die über Trennung nachdenken. Die sitzen nun seit Wochen zusammen fest.
Ich begleite ein Paar, das große Schwierigkeiten miteinander hatte und sich eigentlich trennen wollte. Beide haben das Gefühl, nicht wegzukönnen. Sie fühlen sich miteinander eingesperrt. Die Emotionen drohen auf dem engen Raum zu eskalieren. Sie müssen jeder für sich sehr darauf achten, den inneren Halt nicht zu verlieren. Ein anderes Paar, das sich gerade räumlich getrennt hatte, musste wieder zusammenziehen, da es sich eine zweite Wohnung nicht mehr leisten konnte. Derjenige, der sich trennen wollte, ist dadurch sehr belastet. Der andere schöpft neue Hoffnung. Die beiden müssen diese angespannte Situation Tag für Tag aushalten.
stern-Seelsorge
Wer Rat oder Hilfe braucht, kann sich unkompliziert mit unserer Koordinierungsstelle in Verbindung setzen. Kathrin Contzen, Coach und ausgebildet in Krisenintervention, ist am Dienstag, Donnerstag und Sonntag zwischen 16 und 18 Uhr telefonisch erreichbar - die Nummer lautet: 0172/1390173.
Außerdem sichtet und bearbeitet sie an sieben Tagen die Woche zwischen 9 und 20 Uhr Emails. Die Adresse lautet: seelsorge@stern.de
Außenbeziehungen, Seitensprünge und Affären sind durch Corona schwierig geworden. Hat der Virus Ehen gerettet?
Von Rettung würde ich erst sprechen, wenn eine neue Stabilität in der Beziehung eingetreten ist. Das kann man jetzt aber noch nicht sagen. Die intensive Auseinandersetzung während des Lockdowns hat hier und da aber gewiss zum Umdenken geführt. Aus einem "Das ist aus“ wurde schon mal die Entscheidung, es doch noch mal mit einer Paartherapie zu versuchen.
Wie ist die Situation für die Dritten im Bunde, die Geliebten?
Die Geliebten lebten vor dem Virus und seinen Folgen sehr oft mit dem Gefühl, zurückstecken zu müssen und immer nur die zweite Geige zu spielen. Das wurde für viele noch extremer: Ihr liierter Partner ist im Homeoffice quasi unter Dauerbeobachtung, es ist auch aus gesundheitlichen Gründen heikel, sich zu treffen und nahe zu kommen – das verunsichert natürlich sehr und wirft die Frage auf: "Welche Bedeutung habe ich wirklich für den anderen?“ Auch hier kann es aber sein, dass die Karten endlich auf den Tisch kommen und Fragen gestellt werden, die man sich vorher nicht zu stellen traute.
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