Tiedge sei wenige Wochen vor seinem 74. Geburtstag an seinem Wohnort in der Nähe Moskaus am 6. April gestorben, teilte der Eulenspiegel-Verlag am Dienstag unter Berufung auf Familienkreise in Berlin mit.
Der Frontenwechsel des hochrangigen Verfassungsschützers Tiedge 1985 galt als die bis dahin schwerste Panne in der Geschichte des Verfassungsschutzes. Tiedge wurde in der Bundesrepublik wegen Landesverrats gesucht. Kurz vor der deutschen Einheit flog ihn der russische Geheimdienst KGB deshalb aus der untergehenden DDR aus, wo Tiedge in der Nähe Berlins lebte.
Der Verfassungsschutz konnte auf Anfrage die Todesmeldung nicht bestätigen. Schon seit Jahren gebe es zu dem Fall Tiedge keine Informationen mehr.
Tiedge war im Kölner Bundesamt für die Abwehr der DDR-Spionage zuständig. Im Verlag Das Neue Berlin, der zur Verlagsgruppe Eulenspiegel gehört, erschien 1998 Tiedges Autobiografie "Der Überläufer - eine Lebensbeichte". Wegen der Verbreitung von Interna aus dem Verfassungsschutz hatte die Herausgabe des Buches für den Verlag ein juristisches Nachspiel vor dem Berliner Landgericht.
Tiedge war im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz für den Bereich DDR-Spionageabwehr zuständig. In der Autobiografie schilderte er neben seiner Arbeit auch seine verfahrene private Situation, die ihn zur Flucht veranlasste. Dem Alkohol verfallen, mit einem Berg an Schulden und von einer Versetzung bedroht, fuhr er in einem Zug über die DDR-Grenze und offenbarte sein Wissen über die Sytematik der Spionageabwehr. Der damalige Chef des Verfassungsschutzes, Heribert Hellenbroich, nahm seinen Hut.