Über 170.000 Mal wurde das Polizei-Tritt-Video, das während der Krawalle am 1. Mai in Berliner Stadtteil Kreuzberg gedreht wurde, bereits angeschaut. 35 Sekunden dauert der Clip, der zeigt, wie ein Polizist einer Hundertschaft mit Vorsatz und voller Wucht einem auf dem Boden liegenden Demonstranten gegen den Kopf tritt. Der fällt danach benommen zu Boden, der Polizist prescht ohne anzuhalten weiter und schließt zu seinen Kollegen auf.
Bis zu diesem Vorfall schienen die Demonstrationen zum 1. Mai in Berlin verhältnismäßig ruhig zu laufen. Der Polizei zufolge gab es rund um den 1. Mai "deutlich weniger Ausschreitungen" als im Vorjahr. 487 Menschen wurden festgenommen, acht bekamen Haftbefehle. Gegen 370 Menschen wurden Platzverweise ausgesprochen. "Bis zu dem Vorfall mit dem Kopftritt kam es mir friedlicher vor als in den Jahren davor", meint Linda W.. Sie hat den kurzen Clip gedreht und ins Netz gestellt: "Das Video bei Youtube hochzuladen, hielt ich für meine bürgerliche Pflicht. Denn egal, ob das jetzt ein Beamter war oder nicht - ein Mensch hat einen anderen Menschen, der am Boden lag, mit voller Wucht ins Gesicht getreten, und das ist abscheulich genug", erklärt die Zeugin auf Anfrage von stern.de.
Der Vorfall, der die Gemüter erhitzt, ereignete sich auf dem Spreewaldplatz in Berlin Kreuzberg. Das sollte nach Angaben der Polizei der Endpunkt der Demonstrationen sein. Allerdings hätten sich einige Demonstranten geweigert, die Demo aufzulösen und begonnen, Flaschen und Steine zu werfen, wie ein Sprecher der Berliner Polizei stern.de mitteilte. Die junge Berlinerin wollte eigentlich nur einen kleinen Film von dem Zusammentreffen der Polizisten mit den Demonstranten drehen. "Ich nehme an, die Hundertschaft wollte eingreifen und die Steine- und Flaschenwerfer rausfischen. Als ich sah, dass der Mann zu Boden fiel, filmte ich ihn. Soweit ich mich erinnern kann, hat er vorher schon einen Schlagstock abbekommen."
Disziplinarverfahren gegen Polizist möglich
Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch bestätigte schon wenig später den Vorfall. Nach Angaben der Berliner Polizei stellte sich der Beamte, der auf dem Video zu sehen ist, am Montag selbst. Der betreffende Polizeiobermeister hatte sich seinem Vorgesetzten offenbart, nachdem das Video im Netz aufgetaucht war. Gegen ihn wurde mittlerweile ein Strafverfahren eingeleitet.
Ein Sprecher der Polizei sagte, dass er bis auf Weiteres in den Innendienst versetzt würde. "Bis das geklärt ist, darf er nicht mehr mit seiner Einheit raus. Neben dem Strafverfahren kann es außerdem zu einem Disziplinarverfahren kommen, wenn sich herausstellt, dass das Ansehen der Polizei in besonderem Maße geschädigt wurde", erklärte ein Sprecher der Polizei stern.de.
Ermittler haben Kontakt zum Opfer aufgenommen
"Ich war erstmal froh, wieder heil und gesund zu Hause angekommen zu sein. Da ich selbst nicht Betroffene, sondern nur Zeugin war, hab ich keine Anzeige erstattet", erklärt die 22-jährige Studentin. "Ich hab dann auf der Internetseite der Polizei gelesen, dass gegen den Beamten ermittelt wird. Daraufhin hab ich mich bei der Polizei als mögliche Zeugin gemeldet." Bis heute war allerdings unklar, was mit dem Opfer passierte.
"Ich konnte nur sehen, dass Freunde ihm aufgeholfen und ihn an den Wegesrand geschafft haben. Weil ich die Situation allerdings ziemlich brenzlig fand, musste ich mich erst einmal selbst in Sicherheit bringen. Als ich zurückkam, war er verschwunden", so Linda. Die Polizei hätte sich bei ihm aber nicht entschuldigt: "Keiner ist zurückgekommen, um Hilfe zu leisten." Mittlerweile haben Ermittler Kontakt zu dem Opfer hergestellt. Unterstützt von einem Anwalt wolle er sich zu dem Vorfall äußern, so ein Sprecher der Polizei