Als am Sonntag, den 15. Juni 1997 der Tatort im Ersten läuft, ist das Fabrikkantenehepaar Karl und Renate H. aus dem nordhessischen Morschen bereits seit zwei Stunden tot. Die Täter haben dem Ehepaar die Kehle durchgeschnitten. "Für uns sah es fast so aus wie eine Hinrichtung", erinnert sich ein damaliger Kriminalbeamte. Einbruchsspuren gibt es keine.
Die nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidete Ehefrau liegt direkt neben der Eingangstür. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter den Opfern mehr als nur bekannt gewesen sein müssen. So spärlich bekleidet hätte sie wohl einem Fremden kaum die Tür geöffnet.
Die nicht mehr im Haus lebende, 20-jährige Adoptivtochter Ines hatte zuvor die Polizei alarmiert – angeblich, weil das Ehepaar nicht mehr ans Telefon ging. Das Verhältnis zu ihren Adoptiveltern war zu dem Zeitpunkt schon sehr zerrüttet. Sie soll nur noch gekommen sein, wenn sie Geld brauchte. Auch das zweite Adoptivkind, die 16-jährige Julia, soll die Mutter gehasst haben. Oft soll die Mutter sie geschlagen haben, behauptet sie. Noch am Tatabend werden Ines und ihr Freund Kai von der Polizei vernommen. Dabei erzählt ihr Freund von einer Russenmafia und dass der 59-jährige Chef eines Kunststoffbetriebes Probleme im Außenhandelsbereich gehabt haben soll.
Doppelmord in Morschen: Adoptivtöchter im Visier der Ermittler
Der Bundeswehrkoch und die Schülerin haben ein Alibi. Sie hatten sich einen BMW gemietet und waren damit übers Wochenende nach Bayern gefahren, wo sie sich in Garmisch und München in Wellness-Luxushotels einquartierten. Bei ihren Recherchen im Umfeld von Kai finden die Ermittler heraus, dass dieser sich bei seinen Freunden nach einem Auftragsmörder erkundigt und bereits Jobs verteilt hatte. So soll er einem seiner Freunde gesagt haben, er könne als Hausmeister in der Villa der Schwiegereltern anfangen. Zudem soll er einen anderen nach dem Gift E605 gefragt haben.
Ein Dutzend Mal Mord und Totschlag in Serie

Eine Mischung aus True Crime und einer großen Portion Fiktion im Hörspielformat. Mit der „blonden Bestie“ ist der Serienmörder Kurt-Werner Wichmann gemeint. Von 1968 bis 1989 mordete sich der attraktive Psychopath durch Norddeutschland. Immer wieder entkam er durch haarsträubende Ermittlungspannen der Polizei. Der sogenannte Göhrdemörder ist einer spektakulärsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die Amazon-Tochter Audible hat aus dem Stoff in ein Hörspiel gegossen.
Nach dem Tod des Fabrikantenehepaares präsentieren sich Kai und Ines als neue Geschäftsinhaber. Die Polizei verdächtigt sie, doch ihr Alibi ist lückenlos. Als Mittäter kommen jedoch sowohl sie, als auch Schwester Julia in Frage.
Kai, Ines und Julia werden von der Polizei zur Vernehmung geholt. Da alle bei ihrer Version bleiben, wird Julia während einer Pause von einem Kommissar, der auch ein Freund der Familie ist, noch einmal unter vier Augen befragt. Da erzählt die 16-Jährige plötzlich, dass sie den Haustürschlüssel in der Zeitungsbox hinterlegte, weil sie von Ines und Kai den Auftrag dazu bekommen hatte. Während Ines schweigt, legt auch ihr Freund Kai schließlich ein Geständnis ab.
Ehepaar mit Messer getötet
Wie sich herausstellt, hatten Ines und Kai einen Auftragskiller engagiert – den 23 Jahre alten Freund der 18-jährigen Diana, die mit Ines befreundet war. Beide stehen an jenem 15. Juni 1997 vor der Tür des Unternehmerehepaars. Weil er jedoch mit dem hinterlegten Schlüssel nicht zurechtkommt, klingelte der Mann. Als Karl H. die Tür öffnet, gibt er vor, eine Autopanne zu haben und telefonieren zu wollen. Als sie ins Haus gebeten werden, greift der Killer von hinten an und schneidet dem 59-Jährigen mit einem zwölf Zentimeter langen Messer die Kehle durch. Seine Ehefrau kommt dazu, rennt in Panik zur Haustür. Doch der Killer tötet auch sie.
Wie abgemacht, durchsuchen die Täter anschließend das Haus, damit der Überfall nach Raubmord aussieht. Doch der Polizei ist schnell klar, dass es sich nicht um einen solchen handelt, denn die Täter lassen wertvolle Gegenstände und offenen Schmuck liegen, nehmen nur 4000 Mark Bargeld mit.

In diesem Moment sitzen Kai, Ines und Julia in einer Gaststätte. Julia simuliert Bauchschmerzen und wird stationär wegen Verdachts auf Blinddarmentzündung in ein Krankenhaus aufgenommen. Es gibt also genug Zeugen für ihren Aufenthalt.
Vor Gericht sagt die 18-jährige Freundin des Täters später aus, dass für sie das Geld im Vordergrund gestanden haben. Ihnen seien für das Gewaltverbrechen zwei Millionen Mark aus dem auf 80 Millionen Mark bezifferten Erbe versprochen worden.
Am 20. November 1998 fällt das Urteil am Landgericht Kassel. Julia bekommt sieben Jahre und zehn Monate Jugendstrafe wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs, da die beiden Adoptivtöchter auch zwei fehlgeschlagenen Giftanschläge auf die Eltern verübt hatten. Kai wird wegen zweifachen Mordversuchs und Mord aus Habgier zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Ines erhält wegen zweifachen Mordversuchs und Mord aus Habgier nach Jugendrecht die Höchststrafe von zehn Jahren. Diana wird zu sieben Jahre Jugendstrafe verurteilt und ihr Freund wegen Mordes aus Heimtücke und Habgier und zu einer lebenslangen Haftstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Diana und Ines sind heute wieder frei. Sie sollen den Kontakt zueinander abgebrochen haben. Keiner der Schwestern hat je etwas geerbt. Die Geschwister der Opfer strengten eine Erbunwürdigkeitsklage an.
Quellen: ARD, DPA