Gleich zu Beginn des Prozesses vor dem Kölner Amtsgericht der Paukenschlag: Der Angeklagte muss sich nicht nur wegen dieses, sondern auch wegen eines weiteren Falles von Fahrerflucht verantworten. "Der Angeklagte soll am 5. Dezember vergangenen Jahres in einem Lkw auf der Lustheider Straße in Köln unterwegs gewesen sein und soll dort einen Unfall verursacht haben", erläutert Gerichtssprecherin Denise Fuchs-Kaninski. Schaden beim Unfallgegner: 11.000 Euro. Der Angeklagte soll auch hier einfach abgehauen sein.
Beim Unfall auf der A57 blieb es nicht bei einem Sachschaden: Ein Fahrzeug rammt am 27. Mai 2023 den Wagen von Michael Hahnke und seinem Sohn Felix. Das Auto wird in die Leitplanke geschleudert. "Es gab plötzlich diesen Knall wie aus dem Nichts", berichtet der 22-Jährige im Prozess. Während er auf Polizei und Krankenwagen wartete, seien die Schmerzen stärker geworden. Aber: "Meinem Vater ging es schlimmer als mir. Er hat auch heute noch Rückenschmerzen. Er ist seit diesem Tag nicht mehr so beweglich."
Der Angeklagte sieht mal zur Richterin, mal zum Felix Hahnke, während dieser spricht. Eine besondere Regung zeigt er nicht. Er hört aufmerksam zu und hat die Arme vor dem Körper verschränkt.
Michael Hahnke sucht Täter mit Überwachungsvideo
Von dem Täter fehlt nach dem Zusammenstoß jede Spur, er ist einfach weitergefahren. "Die ersten Wochen dachte ich, den kriegen die, weil die Strecke videoüberwacht ist", berichtet Michael Hahnke in seiner Aussage am Freitag. Doch das Nummernschild des gesuchten Fahrzeugs ist nicht erkennbar, die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen vorläufig ein. Hahnke nimmt die Sache selbst in die Hand: Er postet online die Aufnahmen der Überwachungskamera, das Video wird millionenfach geklickt.
Dann die Überraschung: Der mutmaßliche Täter meldet sich bei Michael Hahnke. "Er wollte, dass wir miteinander telefonieren“, erzählt der 55-Jährige. "Ich habe geschrieben, dass ich nicht telefonieren will." Der Angeklagte habe ihm dann noch mal geschrieben. "Der einzige Vorwurf, den er sich machen könne, sei, dass er zu schnell gefahren ist. Seine Lenkung habe gehangen."
Angeklagter erinnert sich nicht an Unfall auf der A57
Eine Erklärung, die der Angeklagte im Prozess wiederholt. "Ich hatte Panik nach dem Unfall", berichtet er. An den Zusammenstoß könne er sich nicht erinnern, vermutlich habe es sich um einen Sekundenschlaf gehandelt. "Beim Betätigen von Gas und Bremse nach dem Unfall habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Das Lenkrad war steif." Im Rückspiegel habe er gesehen, dass sich ein Auto dreht.
Die Richterin hakt nach. "Kam Ihnen die Idee, dass die Personen verletzt sein könnten?", will sie vom 21-Jährigen wissen. "Definitiv", antwortet der. Auf die Idee, einen Krankenwagen zu rufen, sei er aber erst "im Nachhinein" gekommen.
Urteil beim Prozess in Köln: 21-Jähriger muss 100 Sozialstunden leisten
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Unfallflucht und Körperverletzung vor. Es solle Jugendstrafrecht angewendet werden, sagt der Staatsanwalt. "Die Taten sind jugendtypisch." Für den 21-Jährigen spreche, dass er sich geständig und glaubhaft reuig gezeigt habe.
In seinem letzten Wort erklärt der 21-Jährige: "Es tut mir wirklich leid. Vielleicht könnt ihr mir heute nicht verzeihen, aber vielleicht irgendwann."
Dann fällt das Urteil: Das Gericht verurteilt ihn wegen Fahrerflucht in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung. Der Angeklagte wird verwarnt und muss 100 Sozialstunden leisten, außerdem wird sein Führerschein eingezogen. Eine Geldstrafe (die Staatsanwaltschaft hatte 1000 Euro gefordert) bekommt er nicht. "Allerspätestens in dem Moment, als sie zum Stehen gekommen sind, hätten Sie die Polizei rufen müssen”, sagt die Richterin zum Unfallverursacher. "Wenn ein Unfall passiert, muss man sich der Situation stellen – so unangenehm das auch ist."
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