Das Kellerverlies der jahrelang verschleppten Natascha Kampusch wäre nach Einschätzung der Ermittler auch mit modernsten Suchgeräten nicht gefunden worden. Wäre ihrem Entführer etwas passiert, "dann hätte Frau Kampusch das nicht überlebt", sagte Generalmajor Gerhard Lang vom österreichischen Bundeskriminalamt der Tageszeitung "Kurier". Natascha Kampuschs "Leben hing an einem seidenen Faden, und der führte direkt zu Priklopil (Wolfgang, Anm.)", sagte Lang.
"Weder eine normale Hausdurchsuchung noch eine Wärmebildkamera hätte dieses Labyrinth entdeckt", schilderte er laut Nachrichtenagentur APA die Umbauten im Haus des Täters Wolfgang Priklopil. "Um in dieses Verlies zu kommen, musste man in eine Grube steigen, einen Wandverbau auf die Seite schieben, einen Tresor aufmachen, und zwar mit einem Code, links und rechts zwei Dübel und Schrauben entfernen, den Tresor rausnehmen, in ein Loch reinkriechen, eine Blende wegnehmen, erst dann kam man zur Tür, die in dieses Verlies führt." Er selbst habe es nur drei Minuten darin ausgehalten.
Grabungsarbeiten nach der Leiche
Lang bestätigte, dass am Abend vor Kampuschs Flucht am 23. August im Wienerwald Grabungsarbeiten nach der Leiche des Entführungsopfers stattgefunden hätten. "Es hatte alles zusammengepasst. Zeugenaussagen, Ortsbeschreibung, es gab auch plausible Gründe anzunehmen, dass ihre Leiche dort begraben ist", sagte der Ermittler.
Die heute 18 Jahre alte Frau war als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt worden und hatte mehr als acht Jahre in Geiselhaft verbracht. Sie war im August vor ihrem Entführer geflohen, der sich kurz darauf das Leben nahm.
Anwälte wollen gegen Buch vorgehen
Ein britischer Verlag will Ende November ein unautorisiertes Buch über den Fall des Entführungsopfers Natascha Kampusch veröffentlichen. Die Wiener Rechtsvertreter der 18-Jährigen wollen dagegen vorgehen: "Wir werden alle rechtlichen Schritte ergreifen", kündigte Kampuschs Anwalt Gerald Ganzger nach Angaben des Österreichischen Rundfunks ORF an. Man habe dem Verlag bereits vor zwei Wochen ein Mahnschreiben geschickt. In Österreich und Deutschland soll das Buch nach Informationen des deutschen Mediendienstes "Pressetext" vorläufig nicht in den Handel kommen. Die Kampusch-Anwälte hatten schon vor Wochen erklärt, sie würden unautorisierte Werke über ihre Mandantin bekämpfen.
Ausschnitte aus dem 304 Seiten umfassenden Buch mit dem Titel "Girl in the Cellar - The Natascha Kampusch Story" (Mädchen im Keller - Die Natascha-Kampusch-Geschichte), wurden bereits von der Londoner Tageszeitung "The Times" veröffentlicht. Dabei ging es jedoch weniger um die junge Frau, die vor drei Monaten nach achteinhalb Jahren ihrem Entführer entkommen war. Vielmehr befasste sich der Text mit bereits bekannten Details über eine - von der Polizei inzwischen bestrittene - Verbindung zwischen Kampuschs Mutter und dem Entführer Wolfgang Priklopil.
Dazu Kampusch-Anwalt Ganzger: "Soweit ich aus dem Vorabdruck herauslesen konnte, scheint mir das Buch ein Sammelsurium von Zeitungsartikeln und Pressemeldungen zu sein. Das ist aber nur mein erster Eindruck." Ein Buch, das sich nur mit dem Kriminalfall beschäftige, sei generell nicht zu verbieten. Allerdings seien bereits die ersten offiziellen Ankündigungen des Verlags "zu 100 Prozent bedenklich", sagte Ganzger, denn unautorisierte Berichte über Kampuschs "Beziehung" zu ihrem Entführer seien, genau wie die Bedingungen der Gefangenschaft, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts seiner Mandantin.