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Prozessauftakt Warum wollte Charles T. sich und andere in den Tod reißen?

Das Auto des Falschfahrers wurde regelrecht zerfetzt, von einem "Trümmerfeld" sprach die Polizei
Das Auto des Falschfahrers wurde regelrecht zerfetzt, von einem "Trümmerfeld" sprach die Polizei
© frm/DPA
Er soll in suizidaler Absicht als Falschfahrer auf der Autobahn gerast sein und zwei Menschen getötet haben. Charles T. überlebte dem Unfall schwer verletzt. Jetzt muss er sich vor dem Landgericht in Aachen wegen Mordes verantworten.

Es ist ein äußerst ungewöhnlicher Mordprozess, der am Montag vor dem Landgericht Aachen beginnt. Schon vor dem Start ist klar, dass die Beteiligten im Verlauf der beiden angesetzten Verhandlungstage mit erschütterndem Leid und großer Verzweiflung konfrontiert werden. Und über allem wird die Frage nach dem Warum stehen.

Die Antwort darauf kann möglicherweise Charles T. geben. Der 48-jährige Niederländer wird auf der Anklagebank sitzen und sich anhören, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft: Mord in zwei Fällen, Mordversuch in sechs Fällen. Die Mordwaffe: sein silberfarbener Ford. Der Tatort: die Autobahn 4 bei Merzenich in Nordrhein-Westfalen.

Bewusst als Falschfahrer auf die Autobahn

Laut Anklage fuhr Charles T.  am Vormittag des 20. Januar in Düren-Merzenich auf die Autobahn - als Falschfahrer. Zunächst soll er auf dem Standstreifen unterwegs gewesen sein, er muss an diesem Freitagmorgen schon hunderten Autofahrern entgegengekommen sein, einige alarmierten die Polizei. Nach wenigen Kilometern soll T. aufs Gaspedal gedrückt, seinen Wagen so auf mindestens 120 Stundenkilometer beschleunigt und ihn plötzlich nach rechts gezogen haben, auf die Fahrbahn - ein Sattelschlepper kam ihm entgegen.

Was dann folgte, waren Zerstörung und Tod. Die Autobahnpolizei wird später von einem "Trümmerfeld" sprechen, Fotos vom Unfallort zeigen ein auseinandergerissenes Auto, Karosserieteile auf dem Asphalt, Blut.

Charles T. krachte mit seinem Ford in den Lkw, das Auto wurde gegen den Audi eines Ehepaares geschleudert. Der 76-jährige Fahrer starb sofort, die 59 Jahre alte Beifahrerin später im Krankenhaus, weitere Menschen wurden verletzt.

Ermittler fanden einen Abschiedsbrief

Zwei Tote durch einen Falschfahrer. Es war aber kein tragischer Unfall eines verwirrten Autofahrers. Es war ein geplanter Mordanschlag, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Der 48-jährige Unfallverursacher habe sich rücksichtslos über das Lebensrecht der entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer gestellt, heißt es in der Anklageschrift. Gleich drei Mordmerkmale sehe die Staatsanwaltschaft erfüllt, so ein Sprecher des Landgerichts im Gespräch mit dem stern: "Heimtücke, niedere Beweggründe und die Verwendung eines gemeingefährliche Tatmittels." Warum tat T. das?

Nach dem Unfall teilte die Polizei mit, sie habe einen Brief bei dem schwerverletzten Falschfahrer gefunden. Er sei in einer "ausweglosen Situation" und danke seiner Familie, habe darin gestanden, berichtet die "Aachener Zeitung". Ein Abschiedsbrief. Der Niederländer wollte seinem Leben ein Ende bereiten und nahm es offenbar in Kauf, andere Menschen mit in den Tod zu reißen. Warum? Darauf gibt der Brief keine Antwort. T.s Leben konnte gerettet werden, nach Wochen im Krankenhaus. Er sei inzwischen verhandlungsfähig, so die Staatsanwaltschaft.

Vielleicht gelingt es dem Gericht, von dem Angeklagtem eine Antwort auf die Frage nach dem Warum zu bekommen - in diesem ungewöhnlichen Mordprozess.

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

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