Die Bundesregierung will eine Lücke im Bußgeldkatalog schließen: In Zukunft sollen Radler mit 20 Euro zur Kasse gebeten werden, wenn sie auf der falschen Straßenseite einen Radweg benutzen, obwohl ein nicht benutzungspflichtiger Radweg auf der richtigen Seite zur Verfügung steht. Wenn es einen Schaden gab, kann das Bußgeld auf 35 Euro erhöht werden.
Fahren auf der falschen Straßenseite gehört neben den Rotlichtverstößen zu den Übertretungen, die für Radler häufig schlimm enden. Regelmäßig werden die Falschfahrer von Autofahrern übersehen und umgefahren. Hinzu kommen die Begegnungen mit anderen Radfahrern. Treffen zwei an einer Stelle aufeinander, an der sie wegen Passanten oder einem Laternenmast nicht auf den Fußweg ausweichen können, ist der Crash programmiert.
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Keine freie Fahrt auf dem Radweg
Die Bundesregierung versucht völlig zu Recht, diesen gefährlichen Leichtsinn einzudämmen. Nur: Ein neues Bußgeld allein wird aber kaum etwas auf den Straßen verändern. Die Normen für Radfahrer bestehen lediglich auf dem Papier. Radfahren wurde zur Wild-West-Zone im deutschen Straßenverkehr, weil Radler praktisch nie kontrolliert werden. Das sieht man an jeder Ampel: Sobald die Möglichkeit besteht, die Straße zu überqueren, wird auch gefahren. Wer mit seinem Rad wartet, steht da wie ein Trottel, während allen anderen an ihm vorbei preschen. Verboten ist das schon lange, es gibt auch ein Bußgeld - satte 60 Euro - trotzdem macht es fast jeder. Kaum zu erwarten, dass das neue Bußgeld jetzt irgendjemand von der falschen Seite vertreibt.
Dass der Radweg ein rechtsfreier Raum wurde, liegt allerdings nicht an den Radlern. Weil jeder den Radweg als Abstellfläche benutzen kann, wird die Cowboy-Mentalität erst produziert: Ein Radler, der glaubt, er könne sein Ziel auf der vorgesehenen Bahn erreichen, wird nach wenigen Kilometern verzweifeln. Die Radspur ist häufig nicht nur eine Parkspur, sondern ein allgemeiner Ablageplatz. Wer Kartons, Schubkarren oder Zementsäcke auf die Fahrbahn für Autos legt, muss mit einer Anklage wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr rechnen, beim Radweg gibt es nicht einmal ein Bußgeld. Selbst kommunale Firmen nutzen den Radweg, um Absperrungen und Schilder unterzubringen. Deutlicher können die Gemeinden ihre Geringschätzung für den Fahrradverkehr kaum ausdrücken.
Wie sonst, wenn nicht falsch?
Das neue Bußgeld löst nicht das Problem, warum Radfahrer die fasche Seite benutzen. Wie soll ein Radfahrer bei einer mehrspurigen Straße sicher und legal auf die andere Straßenseite kommen? Im Prinzip dürfte er eine mehrspurige Straße einfach kreuzen, das wird er aus Gründen des Selbstschutzes nicht machen wollen. Er dürfte absteigen, das Rad ein paar hundert Meter in die gewünschte Richtung schieben und bei einem Fußgängerüberweg die Hauptstraße kreuzen. Oder könnte fahren, dann aber entgegen seiner Wunschrichtung, bei der nächsten Ampel dürfte er die Straße überqueren, um dann wieder zurückzufahren.
Wenig überraschend, dass kaum jemand diese Prozedur mitmacht. Das Problem ließe sich nur lösen, wenn es auf mehrspurigen Straßen entweder sehr viel mehr geschützte Übergänge gäbe, oder wenn die Radwege so ausgebaut wären, dass sie legal in beide Richtungen befahren werden können. Beide Maßnahmen würden aber Geld und Mühen kosten, das wirkungslose Bußgeld kostet dagegen nichts.