Feuertod in Dessauer Gefängniszelle Polizist dachte an Fehlalarm

Warum kam der Asylbewerber Oury Jalloh bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben? Erstmals räumte der angeklagte Beamte im neu aufgerollten Prozess ein: Er habe gedacht, der Feueralarm sei eine Fehlfunktion gewesen.

Im neuen Prozess um den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau hat der Angeklagte am Freitag erstmals ausgesagt. In einer Erklärung beteuerte der Polizist, bei dem Vorfall vor sechs Jahren trotz mehrfachen Alarms nicht an einen Brand in der Zelle gedacht zu haben. "Ich muss unterschwellig an eine Fehlfunktion gedacht haben", sagte der Mann im Landgericht Magdeburg. Dass ein Brand ausgebrochen war, habe er erst gemerkt, als er die Zellentür öffnete.

Der aus dem afrikanischen Sierra Leone stammende Jalloh war zu dem Zeitpunkt schon tot. In der Zelle soll der 23-Jährige trotz Fesselung selbst Feuer gelegt haben. Der 50-jährige Polizist, der in einem ersten Verfahren in Dessau freigesprochen worden war, ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt.

Chronik des Falls Oury Jalloh


7. Januar 2005: Jalloh (23) kommt bei einem Brand in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers ums Leben. Der Mann aus Sierra Leone war in Gewahrsam, weil er mehrere Frauen belästigt und Widerstand gegen die Polizei geleistet haben soll. Die Staatsanwaltschaft schließt technische Ursachen für den Brand aus.
28. Mai 2005: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen zwei Polizisten. Ein Dienstgruppenleiter soll den Rauchmelder der Zelle ignoriert haben. Ihm wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Der zweite Beamte wird wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, weil er ein Feuerzeug in der Hose Jallohs übersehen habe.
18. Juli 2006: Gutachter kommen zu dem Schluss, dass der angeklagte Dienstgruppenleiter falsch reagiert hat. Nach Einschätzung der Experten wäre Jalloh "bei rechtzeitigem und sachgerechtem Handeln" des Polizisten zu retten gewesen.
27. März 2007: Am Landgericht Dessau-Roßlau beginnt der Prozess gegen die beiden Polizisten. Sie bestreiten die Vorwürfe im Wesentlichen.
8. Dezember 2008: Das Landgericht Dessau-Roßlau spricht die beiden angeklagten Polizisten frei.
7. Januar 2010: Der BGH in Karlsruhe entscheidet, dass der Prozess gegen den 47-jährigen Dienstgruppenleiter neu aufgerollt werden muss.

"Der Tod geht mir sehr nahe"

Vor Gericht brachte er sein Bedauern und seine Betroffenheit zum Ausdruck. "Der Tod geht mir sehr nahe, besonders, dass ich nicht rechtzeitig helfen konnte." Er wolle seinen Beitrag zur lückenlosen Aufklärung des Geschehens beitragen, betonte der Beamte, der nach dem Geschehen am 7. Januar 2005 zweimal schwer erkrankt war. Nachdrücklich wies er fremdenfeindliche oder rassistische Motive zurück.

Jalloh soll, obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war, mit einem Feuerzeug die Matratze angezündet haben, auf der er lag. Er starb, weil er die extrem heißen Gase einatmete. Die Polizei hatte ihn festgenommen, weil er Frauen auf der Straße belästigt haben soll und seine Identität nicht eindeutig festgestellt werden konnte. Jalloh hatte fast drei Promille Alkohol im Blut. Bei der Polizei wehrte er sich heftig.

Lautstärke heruntergedreht

Der Angeklagte berichtete weiter, sein Dienstplatz sei per Wechselsprechanlage mit der Zelle verbunden gewesen. Er habe Rufe aus der Zelle gehört. Um ein Telefonat ungestört führen zu können, habe er zeitweise die Lautstärke heruntergedreht. Ähnlich hatte er sich im ersten Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau geäußert.

Zum Auftakt des dritten Verhandlungstages am Freitag hatte die Verteidigung vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Es gehe um die individuelle Schuld des angeklagten Polizisten, nicht um die Aufklärung des gesamten Geschehens. Die Gerechtigkeit, die die Familie von Jalloh erwarte, könne das Gericht nicht leisten. Familienmitglieder treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf.

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