Haftanstalten Einsitzen wird privat

Das Land Hessen hat teilweise den Betrieb einer Justizvollzugsanstalt an eine private Firma übergeben. Oppositionspolitiker fürchten, dass die "Billigaufseher" anfälliger für Korruption seien.

Als erstes Bundesland hat Hessen den Betrieb einer Justizvollzugsanstalt weitgehend an ein Privatunternehmen vergeben. Das Land Hessen und die deutsche Tochter des britischen Konzerns Serco unterzeichneten einen Fünf-Jahres-Vertrag für die Justizvollzugsanstalt Hünfeld in Osthessen. "Durch die Auftragsvergabe an den privaten Partner können die Betriebskosten erheblich reduziert werden", sagte der hessische Justizminister Christean Wagner (CDU) in Wiesbaden.

Nach Angaben des Justizministeriums hat der Vertrag ein Volumen von 5,7 Millionen Euro pro Jahr. Serco werde unter anderem für den Transport der Gefangenen, die Instandhaltung des Gefängnisses, den medizinischen Dienst und die Videoüberwachung der JVA zuständig sein. Zudem gehörten der Betrieb von Küchen und Werkstätten, die Reinigung des Gefängnisses, Teile der Verwaltung sowie die psychologische und pädagogische Betreuung der Häftlinge zum Aufgabenbereich des privaten Betreibers.

Die Bewachung bleibt staatlich

Insgesamt übernehme Serco 42 Prozent aller im Gefängnis anstehenden Arbeiten, erklärte der Minister. In Hünfeld würden neben 132 staatlichen Bediensteten 99 Mitarbeiter des privaten Dienstleistungsunternehmens arbeiten. Die Aufgaben von staatlichen und privaten Mitarbeitern blieben getrennt.

Die Bewachung der Gefangenen und die Leitung der Anstalt seien auch in Hünfeld Aufgabe des Staates, betonte Wagner: "Das Kommando in dieser JVA wird das Land Hessen haben." Nach Berechnungen der Landesregierung lassen sich die Betriebskosten durch die Teilprivatisierung um 15 Prozent gegenüber rein staatlichen Gefängnissen senken.

Das Land Hessen spare im Jahr rund 660.000 Euro, sagte Wagner. Dieser Kostenvorteil gehe nicht zu Lasten der Qualität. So sei Serco verpflichtet, bei Personalausfall umgehend für Ersatz zu sorgen und bei technischen Störungen innerhalb festgelegter Zeiten Abhilfe zu schaffen. Alle Leistungen, die das Unternehmen erbringe, müssten mindestens dem staatlichen Standard entsprechen.

"In Deutschland bislang einzigartig"

"Die uns gestellte Aufgabe ist nach Art und Umfang in Deutschland bislang einzigartig", sagte der Geschäftsführer der deutschen Serco GmbH. Hessen schaffe hier ein Modellprojekt, das auch für andere Bundesländer interessant werden könne. Der britische Konzern ist nach eigenen Angaben weltweit im Dienstleistungsbereich tätig und betreibt in Großbritannien bereits fünf Haftanstalten. In Deutschland betreibt das Unternehmen unter anderem das Gefechtsübungszentrum des Heeres bei Magdeburg.

Die hessischen Grünen kritisierten den Vertrag mit dem privaten Betreiber und warnten vor einem Sicherheitsrisiko beim Einsatz privater "Billigkräfte". Diese seien "wesentlich anfälliger für Einflussnahme von innerhalb und außerhalb der Anstalt, als dies bei Vollzugsbeamten der Fall ist". Die SPD bezweifelte, dass eine saubere Trennung von privatem und hoheitlichem Bereich in einem Gefängnis möglich ist. Der Minister bewege sich hier juristisch auf einem schmalen Grat.

Das neue Gefängnis mit 502 Haftplätzen ist derzeit in Bau und soll Anfang 2006 in Betrieb gehen. Pläne für eine vollständige Privatisierung der 60 Millionen Euro teueren Anstalt musste der Minister auf Grund rechtlicher Hürden aufgeben.

AP
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