H. wird an Handschellen hereingeführt. Seine Statur ist rundlich, seine Hornbrille eckig. H. trägt eine FFP2-Maske mit Hamburger Wappen drauf. Die Füße in den hellbraunen Wildlederschuhen hält er still, während die Staatsanwältin in dem Saal im Amtsgericht Hamburg-St.Georg die Anklageschrift verliest. Sie umfasst 21 Betrugstaten und klingt wie eine ziemlich teure Einkaufsliste: Neun Iphones, eine Apple Watch, Brillen, Parfüm, Schmuck sowie zwei Kapuzenpullis einer Modemarke gehören dazu. H. trägt am Tag der Hauptverhandlung am Mittwoch einen rosa Kapuzenpulli dieser Marke.
Bezahlt hatte er die Bestellungen mit dem Geld von S. – einer Frau, die er nicht nur finanziell, sondern auch emotional betrogen hat. Er hatte ihr eine Liebesbeziehung vorgetäuscht und von August bis November 2020 ohne ihr Wissen auf ihren Namen bei verschiedenen Unternehmen Waren bestellt und Verträge im Gesamtwert von rund 13.800 Euro abgeschlossen. Die Gegenstände ließ er sich an die Adresse von S. liefern.
H. war auf der Flucht
H. habe das Vertrauen von S. "auf Übelste missbraucht", sagt der Richter. Und die Masche hat System. Es ist nicht das erste Mal, dass H. Frauen auf diese Weise ausnutzt. Der 38-Jährige erinnert an den Tinder-Schwindler, den Hochstapler Shimon Hayut, der unter dem Falschnamen Simon Leviev und der Vortäuschung von Gefühlen und Notlagen Frauen um sehr viel Geld betrogen hat. Über H. schreibt das "Hamburger Abendblatt", er sei teilweise Liebesbeziehungen im "Vier-Wochen-Takt" eingegangen.
Den Behörden ist H. längst bekannt wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Untreue. Drei Jahre und drei Monate habe er insgesamt schon verbüßt, sagt H. auf Nachfrage des Vorsitzenden. Es ist eine der wenigen Äußerungen, die er während der Verhandlung am Mittwoch macht. Er spricht ruhig und hat die Hände dabei ineinander verschränkt. Sonst lässt er seinen Verteidiger für sich sprechen. Der sagt im Namen seines Mandanten, was auch der Richter später betont: dass H. das Vertrauen der Zeugin S. auf Übelste missbraucht habe. H. bedauere das außerordentlich. Er ist geständig und lässt ausrichten, dass er die Taten vollumfänglich einräume. Der Verteidiger setzt sie in einen Kontext: Er erzählt, wie H. im Gefängnis erpresst worden sei.
Bis im Juli 2020 war H. im offenen Vollzug und laut seinem Anwalt "recht erfolgreich einer Arbeit nachgegangen". Ein Mithäftling habe H. erpresst und ihm gedroht, ihn zu misshandeln, er habe ihm Schläge in die Magengegend verpasst. Mehrere hundert Euro habe H. dem Mithäftling jeden Monat abgegeben. Dann entschied er sich für die Flucht.
Bei S. fand er eine Bleibe. Mit den Bestellungen, die H. auf ihren Namen tätigte, sei es darum gegangen, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, so der Verteidiger. Statt Rücklagen hat H. vor allem eines: Schulden. Die Forderungen an ihn belaufen sich auf rund 124.000 Euro – die rund 13.800, um die er S. betrogen hat, nicht mitgerechnet.
Seinen ehemaligen Mithäftling Y. klagte H. an. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg auf Nachfrage des stern mitteilt, sei ein Verfahren wegen des Verdachts der Erpressung im Dezember 2021 eingestellt worden.
Hamburg: Der Angeklagte wird zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt
Strafmildernd rechnet das Schöffengericht H. an, dass er die 21 Betrugstaten vollumfänglich eingeräumt und eine aufwendige Beweisaufnahme vermieden habe sowie der Zeugin erspart habe, noch einmal angehört werden zu müssen. Dass er "massivst vorbestraft" sei, wertet das Gericht hingegen als straferschwerend. Berücksichtigt wird im Urteil auch, dass sich H. während der Taten auf der Flucht befand. „Das rechtfertigt aber in keinster Weise weitere Taten“, so der Vorsitzende.
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Auch Auktionsplattformen oder Online-Portale gibt es. Hier sollten sich Kunden aber sehr genau informieren. Infos dazu geben die Verbraucherschützer hier.
Das Schöffengericht spricht H. wegen Betrugs in 21 Fällen schuldig und verurteilt den 38-Jährigen zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten. Die einjährige Freiheitsstrafe, zu der H. vor einem Jahr verurteilt wurde, wird in dieses Urteil einbezogen. Der Angeklagte hat eine Woche Zeit, um Berufung oder Revision einzulegen.