Sie brauchen keinen Sprengstoff, sie müssen keine Kassierer mit der Pistole bedrohen und nicht innerhalb von wenigen Minuten mit quietschenden Reifen den Tatort verlassen. Die modernen Bankräuber gehen ganz gemütlich ohne Zeitdruck vor. Schließlich können sie sich auf die Bankkunden verlassen, die ihnen ihre Beute bringen. Ganz von selber, ohne dass sie es merken. Skimming heißt der Bankraub auf die leise Art. Dieses gezielte Ausspähen von EC-Kartendaten wird bei Verbrechern immer beliebter: Zwischen 2007 und 2008 stieg die Zahl der manipulierten Geldautomaten in Deutschland um 77 Prozent.
Kameras als Rauchmelder getarnt
Wie geschickt die Täter dabei vorgehen, zeigt der Fall von fünf rumänischen Staatsbürgern, denen ab heute vor dem Landgericht Gera der Prozess gemacht wird. Um an die Geheimzahlen der EC-Karten ihrer Opfer zu kommen, sollen sie über Geldautomaten als Rauchmelder getarnte Miniaturkameras angebracht haben. Um auch an die Kartendaten der Kunden zu bekommen, sollen die Diebe zudem winzige Magnetlesegeräte vor die Kartenschlitze an den Eingangstüren der Banken angebracht haben. Die beiden Datensätze, PIN-Nummer und Magnetstreifeninformationen, werden dann auf so genannte "white cards", EC-Kartenrohlinge, programmiert.
Mit diesen gefälschten EC-Karten hob die Bande laut Anklage rund 1,15 Millionen Euro von den Konten hunderter ahnungsloser Bankkunden ab. Von März bis November 2008 sollen rund 40 Banken in halb Deutschland präpariert worden sein. Erst ein aufmerksamer Bankangestellter, der den auffälligen Rauchmelder bemerkte, brachte die Polizei auf die Spur der Bande, nacheinander wurden die fünf Männer an unterschiedlichen Orten in Deutschland festgenommen.
Immer mehr manipulierte Automaten
Es werden sicher nicht die letzten Festnahmen wegen des Verdachts auf EC-Kartenbetrugs sein. Dafür ist dieser "Markt" für Gauner viel zu attraktiv. Im vergangenen Jahr wurde nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes rund 40 Millionen Euro durch das Skimming erbeutet, über 800 Geldautomaten bundesweit waren das Ziel der Manipulationen. "Es gibt eine starke Zunahme an manipulierten Geräten", heißt es vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. "Ärgerlich" seien diese Vorfälle. Allerdings beschwichtigen die Banken: "Die Gesamtschäden liegen in Relation zum Umsatz im unteren Promillebereich."
Einfaches Geld für die Verbrecher
Hartmut Strube, Bankenexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, warnt davor, dieses Deliktfeld zu vernachlässigen. "Es ist eine denkbar einfache Methode, Geld zu verdienen. Die Täter sind äußerst geschickt, ihre Technik mittlerweile sehr ausgefeilt, und sie werden immer besser."
Ähnlich sieht es das BKA: "Es ist ein attraktives Arbeitsfeld für Verbrecher", sagt BKA-Sprecher Gerhard Salmen. "Nicht nur, weil es durch Skimming relativ einfach ist, Geld zu erbeuten. Auch ist das Entdeckungsrisiko gering und die zu erwartenden Strafen relativ niedrig." Skimming ist nach Ansicht der Experten eine Spezialität von Südosteuropäern, insbesondere rumänischer Banden geworden. "Die haben sich dieses Kriminalitätsfeld ausgesucht und setzen Fachleute ein, die sich bestens damit auskennen", sagt der BKA-Sprecher.
Tipps
Folgende Vorsichtsmaßnahmen helfen, das Risiko zu verringern, Skimming-Opfer zu werden:
1. Niemals am Geldautomaten die PIN/Geheimzahl mehrfach eingeben.
2. Die PIN-Eingabe mit der Hand verdecken.
3. Am besten zwei unterschiedliche Karten für das Lesegerät am Eingang und den Bankautomaten verwenden.
4. Genau hinsehen, bevor man die Karte in ein Lesegerät eingibt. Klebstoffreste oder Risse im Kunststoff weisen auf eine Manipulation hin.
5. Vorsicht auch beim Tastaturfeld: Es ist meist in den Geldautomaten eingelassen. Steht es etwas ab, könnte es aufgesetzt sein.
6. Möglichst immer den gleichen Geldautomaten benützen. Dann fallen auch ungewöhnliche Veränderungen im Umfeld des Geldautomaten auf. Etwa ein Rauchmelder oder ein Prospekthalter, der sonst nicht da war. 7. Kontoauszüge regelmäßig überprüfen. Unbekannte Abbuchungen sofort der Bank und gegebenenfalls auch der Polizei melden und die Karte sperren lassen. (Zentrale Nr. 116 116) In der Regel erstatten die Banken das Geld zurück.
Banken müssen Schaden ersetzen
Die Ganoven machen es Kunden und Banken schwer, das Ausspähen zu entdecken, denn sie bedienen sich mittlerweile einer Vielzahl unterschiedlicher Tricks. Um sich die PIN-Nummern zu besorgen, setzen die Täter häufig nachgebildete Tastaturen ein, die sie wie eine zweite Haut über das Original legen und die von einer echten nicht zu unterscheiden sind. Selbst die Tasten mit der Aufschrift "Abbruch, Korrektur und Bestätigung" sind an das Original angepasst. Die falsche Tastatur speichert die Ziffernfolge der PIN, ohne dass eine Kamera zum Einsatz kommt. Zusätzlich wird ein Lesegerät am Kartenschlitz des Automaten befestigt, der die Daten der Scheckkarten kopiert.
Da deutsche Geldautomaten, es gibt insgesamt mehr als 50.000, die gefälschten Karten erkennen und sie deshalb hierzulande nicht eingesetzt werden können, heben die Täter das Geld im Ausland ab, vorwiegend in den Niederlanden und Italien. Dieser Umstand ist insbesondere für die betrogenen deutschen Bankenkunden enorm wichtig. Denn so kann der Nepp schnell aufgeklärt werden. Um sein Geld zurückbekommen, muss der Kunde die illegale Abhebung seinem Kreditinstitut melden. Die Banken sind dann dazu verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. In der Regel geschehe dies auch prompt, sagt Verbraucheranwalt Strube.
Keine absolute Sicherheit möglich
Die Banken versuchen unterdessen, die Skimming-Angriffe zu verringern, etwa durch den verstärkten Einsatz von Videokameras oder Geräten, die in den Geldautomat eingebaut werden, um den Einleseprozess der Karte zu verändern. Wie genau dies geschehen soll, wollen die Banken aus Sicherheitsgründen nicht verraten.
Verbraucheranwalt Strube kritisiert die unterschiedlichen Maßnahmen der Banken. "Der aufmerksame Kunde wird verwirrt, weil er nicht mehr erkennt, ob der Automat von der Bank gesichert wurde oder manipuliert ist." Er plädiert dafür, den Gauner-Banden die geschäftlichen Grundlagen zu entziehen: "Der EU-Gesetzgeber muss einen europaweiten Kartenstandard festlegen und die Automaten entsprechend umrüsten lassen."
Ein Schritt in diese Richtung wird nach Angaben der Banken 2010 erfolgen. Dann sollen alle europäischen Geldautomaten Karten mit Chips erkennen und verarbeiten können. Die Folge: Die Skimming-Täter können mit ihren gefälschten Karten, auf denen die Daten noch auf dem Magnetstreifen gespeichert sind, auch im Ausland kein Geld mehr abheben. Das Ende des bisherigen Skimmings, hoffen die Banken. Verbraucheranwalt Strube ist skeptisch. "Das wird seit langem immer wieder angekündigt."
Außerdem sollten sich die Kreditinstitute nicht zu früh freuen. Denn im außereuropäischen Ausland können die falschen Karten immer noch eingesetzt werden. "Also wird es Skimming weiter geben, solange nicht alle Lesegeräte weltweit umgerüstet sind", sagt Strube. Eine absolute Sicherheit werde es nicht geben. "Die Kriminellen werden sich wieder neue Methoden ausdenken. Es wird immer ein Katz und Maus-Spiel bleiben."