Sechs Jahre nach dem Lkw-Anschlag in Nizza mit 86 Toten hofft die Mutter eines der deutschen Opfer auf Strafen für die Angeklagten. "Das kann meine Tochter nicht lebendig machen, aber ich will, dass sie bestraft werden", sagte Barbara Bielfeldt der Nachrichtenagentur AFP über den Prozess zu dem Anschlag in dem südfranzösischen Urlaubsort, der am Montag in Paris beginnt.
Bielfeldts Tochter, die 28-jährige Lehrerin Saskia S., war auf Klassenfahrt in Nizza gewesen, als der dschihadistisch motivierte Täter mit einem Lastwagen in die Menschenmenge fuhr. Die junge Frau und zwei ihrer Schülerinnen der Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule in Berlin-Charlottenburg wurden getötet. Der 31 Jahre alte tunesische Täter wurde anschließend von der Polizei erschossen
In dem am Montag beginnenden Prozess sind sieben Männer und eine Frau angeklagt. Drei von ihnen stehen unter Terrorismusverdacht, die übrigen sollen dem Täter Waffen verschafft haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler war der Täter psychisch krank und hatte in der islamistischen Ideologie einen Nährboden für seinen Hang zur Gewalt gefunden.
Mutter sah Bilder von Anschlag in Nizza im Fernsehen
Die Mutter der getöteten Lehrerin erhofft sich von dem Prozess, mehr über den Täter zu erfahren. "Es lässt sich nicht alles mit Depressionen erklären", sagte sie. "Man muss die Menschheit vor solchen Menschen schützen", fügte sie hinzu.

Sie erinnert sich, dass sie am Morgen nach dem Anschlag Fernsehbilder aus Nizza gesehen hatte, aber davon ausgegangen war, dass ihre Tochter bereits von dort abgereist war. Doch kurze Zeit später erfuhr sie, dass ihre Tochter vermisst wurde.
Sie reiste dann auf eigene Faust nach Nizza, um nach ihrer Tochter zu suchen – und stieß dabei auf zahlreiche bürokratische Widerstände. Es dauerte unerträglich lange, bis sie eine offizielle Bestätigung des Todes ihrer Tochter bekam. "Man hat mir eine Tüte mit ihrem Schmuck gezeigt, mit ihrem kleinen Schutzengel", sagt sie. "Da brauchten sie mir nichts mehr zu sagen."
Erst eine Woche nach dem Anschlag konnte sie die Leiche ihrer Tochter sehen. "Ich habe sie in den Arm genommen, sie hatte lange blonde Haare", berichtete Barbara Bielfeldt in dem AFP-Interview. Ob sie zum Prozess nach Paris reisen wird, steht noch nicht fest.
Drei der acht Angeklagten, die sich vor Gericht verantworten müssen, stehen unter Terrorismusverdacht, ihnen drohen Haftstrafen von 20 Jahren bis lebenslänglich. Die Ermittler stufen sie jedoch nicht als Komplizen ein. Die übrigen Angeklagten sollen dem dschihadistischen Angreifer Waffen verschafft haben.
IS bekannte sich zu Anschlag in Nizza
Das Profil des Täters weist viele Unschärfen auf. Sein Vater bezeichnete ihn als depressiv, seine Ex-Frau als gewalttätig. Andere Familienmitglieder berichteten von Misshandlungen während der Kindheit. Die Ermittler gehen davon aus, dass Lahouaiej-Bouhlel psychisch krank war. Er habe "in der islamistischen Ideologie den Nährboden gefunden, um die Gewalttat umzusetzen".
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte den Anschlag für sich reklamiert. Es konnte jedoch keine direkte Verbindung des Täters zu der Organisation belegt werden.

Die Hauptangeklagten Ramzi Kevin Arefa, Chokri Chafroud und Mohamed Ghraieb, die die tunesische und teils auch die französische Staatsangehörigkeit besitzen, sind wegen "Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung" angeklagt. Der 43-jährige Chafroud und der 46-jährige Ghraieb waren laut Anklage je einmal mit dem Täter wenige Tage zuvor die Strecke in dem gemieteten Lastwagen abgefahren.

Sie hätten laut Anklage zudem gewusst, dass Lahouaiej-Bouhlel sich kurz zuvor der Dschihadisten-Ideologie verschrieben hatte und dass er von Gewalttaten fasziniert war. Beide könnten deswegen zu 20 Jahren Haft verurteilt werden.
Arefa ist der einzige Angeklagte, dem eine lebenslängliche Haftstrafe droht, weil er Wiederholungstäter ist. Dem 27-Jährigen wird vorgeworfen, den Kontakt zu den ebenfalls angeklagten Waffenhändlern hergestellt und beim Mieten des Lastwagens geholfen zu haben. Er soll außerdem Nachrichten mit dem Täter ausgetauscht haben, in denen es um die Vorbereitung der Tat ging. Laut dem Ermittlern hatte Lahouaiej-Bouhlel vor der Tat ein Selfie von sich am Steuer des Lastwagens gemacht und verschickt.