stern-classic Ein Leben im falschen Film

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  • von Kuno Kruse
Standbild aus einem Video zeigt Umriss eines Mannes mit vielen Bildfehlern
© John Karbon
Erst verliert er seinen Job, dann den Elan und schließlich die Hoffnung. Jemand muss dafür verantwortlich sein, glaubt Werner B. Jemand muss dafür büßen

Was die Tat hätte verhindern können? Werner B. überlegt. Er fährt sich mit der Hand durch die Locken, er schwitzt, er ist nervös. Eine halbe Stunde, so kurz ist die Besuchszeit in der Justizvollzugsanstalt Verden. Dabei muss er doch so viel erklären. Über das Arbeitsamt, „diese Zuhälter der sozialen Misere“. Über die „Treibjagd“ in Beschäftigungsprogramme, die Arbeitslose nur aus der Statistik verschwinden lassen. Über die Panik muss er noch reden, die ihn ergriff, „die Angst, dass sich meine Lebensverhältnisse weiter verschärfen“. Und über „das Establishment der Arbeitslosenverwaltung“, über Zahlen. Werner B.s Stirn ist jetzt ganz nass. „Vielleicht ein Gespräch“, sagt er dann, „vielleicht hätte ein Gespräch die Tat verhindern können.“

Erschienen in stern Crime 47/2023. Diese Geschichte erschien zuerst in stern Nr. 18/2002