Interview Immer wieder werden Morde übersehen. Rechtsmediziner Fred Zack erklärt, warum

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  • von Jan Rübel
Nie wurden in Deutschland so wenige Leichen obduziert wie heute, sagt Rechtsmediziner Fred Zack. Er hält das für ein großes Problem.
Fred Zack hält sich ein Kopfmodell mit Markierungen von Pfeilverletzungen vors Gesicht
Fred Zack erstellt auch Gutachten für Gerichte. Hier das Kopfmodell eines Mordopfers mit nachgestellten Pfeilverletzungen
© Hanna Lenz

Herr Professor Zack, seit nahezu 40 Jahren haben Sie als Rechtsmediziner Leichen obduziert. Wie oft wird in Deutschland ein Mord übersehen?
Morde, die mit Gewalt verübt werden wie Erschießen, Erstechen, Erwürgen oder Erdrosseln, werden meist erkannt. Gift dagegen hinterlässt kaum Spuren, oft wird dann im Totenschein angekreuzt: "Natürlicher Tod".

Es gibt die Redewendung "Wenn auf den Gräbern aller Ermordeten ein Lichtlein stünde, wären die Friedhöfe hell erleuchtet." Ist da etwas dran?
Zum Teil. In Deutschland werden kaum Fälle ohne Anfangsverdacht genauer untersucht – und Gifte erregen eben zuweilen keinen. Oder Balkonstürze: Da ist schwer zu erkennen, ob nachgeholfen wurde. Mörder liefern sich auch einen Wettstreit mit der Zeit: Je länger eine Leiche unentdeckt bleibt, desto mehr Spuren verschwinden. Ich hatte mal den Fall einer im Wald aufgefundenen Leiche, die dort mehrere Wochen gelegen hatte. Ich entdeckte bei ihr Geld und Schmuck, versteckt in einer Körperöffnung. Es sah aus wie eine gescheiterte Flucht.

Erschienen in stern Crime 61/2025