Der Neurologe Ernst J.S., der ab 4. November im Mittelpunkt des größten medizinischen Strafprozesses in den Niederlanden steht, soll auch in Deutschland für eine folgenschwere Fehlbehandlung verantwortlich sein, wie der stern berichtet. Danach wirft ein medizinisches Gutachten, das im Auftrag des Landgerichts Mainz erstellt wurde, dem Arzt im Fall einer 78-jährigen Patientin mehrere "grobe Behandlungsfehler" vor.
Erst Rückenschmerzen, dann Lähmung
Die alte Dame war an Silvester 2010 ins Klinikum Worms eingeliefert worden, dort besserte sich ihr Zustand schnell. Doch vier Tage später führte Ernst J.S., der an der Klinik als Honorararzt beschäftigt war, bei ihr eine Lumbalpunktion, eine Punktion des Duralsacks im Lendenwirbelbereich, durch – obwohl es dafür nach Einschätzung des Gutachters keine Notwendigkeit gab. Kurz nach dem Eingriff klagte die Patientin über starke Rückenschmerzen, drei Stunden später gab sie an, sie könne ihre Beine nicht mehr bewegen. Am nächsten Morgen war die Frau von der Hüfte abwärts gelähmt.
Rüge für Arzt und Oberärztin
Scharf rügt das Gutachten das Verhalten des Arztes und der vorgesetzten Oberärztin nach dem Eingriff: Bei Verdacht auf eine Lähmung zähle jede Minute, spätestens am Abend hätte operiert werden müssen. Die Patientin war aber erst am nächsten Tag in eine andere Klinik verlegt und operiert worden. Die Querschnittlähmung konnte dort nicht mehr behoben werden.
Die Kinder der im März 2013 verstorbenen Patientin klagen nun in einem Zivilverfahren gegen die Wormser Klinik. In seiner niederländischen Heimat hatte der Mediziner wegen schwerer Behandlungsfehler und Falschdiagnosen nicht mehr praktizieren dürfen. In Deutschland hatte er aber zwischen 2006 und 2013 an fünf verschiedenen Kliniken gearbeitet.