Nach tagelanger vernichtender Kritik ist der Hauptverantwortliche für die schleppende Hurrikan-Hilfe in den USA zurückgetreten. Ein leitender Beamter aus dem Heimatschutzministerium, David Paulison, übernahm umgehend die Geschäfte von Michael Brown, wie das Weiße Haus mitteilte. Präsident George W. Bush wies in New Orleans Vorwürfe als absurd zurück, dass die schleppende Hilfe auf versteckten Rassismus zurückzuführen sei. Brown, bislang Direktor der Behörde für Katastrophenmanagement (FEMA), nahm seinen Hut drei Tage, nachdem ihm bereits die Aufsicht über die Hilfskoordination vor Ort entzogen worden war. Es sei eine Ehre für ihn gewesen, die Organisation zu leiten, doch wolle er mit seinem Rücktritt dazu beitragen, dass die FEMA ihre Arbeit nun ungeachtet von Kontroversen fortsetzen könne, teilte Brown mit.
Bush nahm nach der Übernachtung auf einem Kriegsschiff vor der Küste von Louisiane am Morgen die Verwüstung und die Aufräumarbeiten in New Orleans in Augenschein. Dort wurde er von mitreisenden Reportern auf den Rassismus-Vorwurf angesprochen. Das sei "einfach absurd", sagte Bush. Die überwiegende Mehrheit der Hurrikan-Opfer sind Schwarze aus den ärmsten Vierteln von New Orleans. Ebenso lächerlich sei der Vorwurf, wegen des Kriegs im Irak habe es zu wenig Truppen für den Einsatz im Notstandsgebiet gegeben, sagte Bush, der von New Orleans Bürgermeister Ray Nagin und der Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, begleitet wurde.
Bush besucht Suppenküche
Bush besuchte anschließend Biloxi, den Ort an der Küste von Mississippi, der die volle Wucht des verheerenden Hurrikans abbekommen hatte. In einer Suppenküche sprach er mit Hurrikan-Opfern, darunter Helen Bedeaux (94), die ihr Haus verloren hat. Sie hielt Bush minutenlang an den Händen fest, um ihm ihr Schicksal zu schildern. Bush stellte sich mit mehreren mexikanischen Soldaten zum Gruppenfoto, die in der Gegend beim Wegräumen der Trümmerberge helfen.
Nach Einschätzung des US-Katastrophenschutzes FEMA müssen rund 200.000 obdachlose Opfer des Hurrikans "Katrina" bis zu fünf Jahre lang provisorisch untergebracht werden. Die Behörde plant daher unter anderem die Errichtung großer Wohnwagen-Siedlungen mit bis zu 25.000 Bewohnern vor allem im US-Staat Lousiana, wie der Chef der entsprechenden FEMA-Abteilung, Brad Fair, sagte. "Dies kommt nicht ganz an den Bau der Pyramiden heran, aber fast", sagte er. Zu den geschätzten Kosten machte er keine näheren Angaben.
Neueste Statistiken ergaben unterdessen, dass Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen in den USA bislang rund 739 Millionen US-Dollar (600 Millionen Euro) für die Hurrikan-Opfer gespendet haben. Von der Gesamtsumme gingen 584 Millionen Dollar an das amerikanische Rote Kreuz. Der von "Katrina" und der anschließenden Flutkatastrophe angerichtete Gesamtversicherungsschaden beläuft sich laut einer neuen Schätzung des Rückversicherers Swiss Re auf 40 Milliarden Dollar. Zuvor war das Unternehmen von 20 Milliarden Dollar ausgegangen. Sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre "Katrina" der teuerste Hurrikan aller Zeiten.
Leichenfund im Krankenhaus
Einsatzkräfte haben unterdessen eine grausige Entdeckung gemacht: im Krankenhaus "Memorial Medical Center" wurden die Leichen von 45 älteren Patienten gefunden. Das Krankenhaus war vor einer Woche geräumt worden, nachdem im Erdgeschoss das Wasser stand. Die Opfer waren aber nach ersten Augenschein nicht durch den Hurrikan oder die Überflutung ums Leben gekommen, sondern durch die große Hitze, weil nach dem Hurrikan der Strom und wenig später auch die Notgeneratoren ausgefallen waren, berichteten lokale Medien. Die offizielle Totenzahl durch Hurrikan "Katrina" erhöhte sich damit auf rund 450 in Louisiana und Mississippi. Die Bergung der Leichen ist allerdings noch längst nicht abgeschlossen. Die Zahl werde weiter steigen, warnen Behörden, allerdings nicht so hoch wie befürchtet. Nagin war zunächst von bis zu zehntausend Toten ausgegangen.