Bei dem heftigen Erdbeben im Zentrum Kroatiens sind mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen. Die neue Opferzahl nannte Ministerpräsident Andrej Plenkovic am Dienstagabend. Die vorherige amtliche Zwischenbilanz hatte sechs Tote verzeichnet. Die Zahl der Todesopfer werde "wahrscheinlich" noch weiter steigen, sagte Plenkovic.
Die Bergungsmannschaften durchsuchten am Dienstagabend weiter die Trümmer. Sechs Menschen wurden mithilfe von Spürhunden lebend aus den Ruinen geborgen, wie es von den Rettungsdiensten hieß. Viele Einwohner der besonders betroffenen Stadt Petrinja wollten aus Furcht vor möglichen Nachbeben die Nacht im Freien verbringen.
Kind unter den Todesopfern
Unter den Opfern waren nach Angaben der Polizei ein junges Mädchen in Petrinja sowie fünf weitere Menschen in einem nahe gelegenen Dorf. Kroatischen Medienberichten zufolge soll das ums Leben gekommene Mädchen zwölf Jahre alt gewesen sein. Rund 20 weitere Menschen wurden laut der vorläufigen Bilanz der Behörden verletzt.
Das Beben vom Dienstagmittag hatte nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 6,4. Sein Epizentrum lag nahe Petrinja und 50 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Zagreb. Dort fielen Ziegel von den Dächern, und Bewohner rannten in Panik auf die Straßen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Das Beben war auch in Österreich sowie Serbien zu spüren. Im Nachbarland Slowenien wurde vorsichtshalber das Atomkraftwerk Krsko abgeschaltet.
"Die Stadt ist ein einziges Ruinenfeld"
In der 20.000-Einwohner-Stadt Petrinja stürzten zahlreiche Wohngebäude ein. Auch ein – glücklicherweise leer stehender – Kindergarten wurde zerstört, wie Bürgermeister Darinko Dumbovic einem Radiosender sagte. "Die Stadt ist ein einziges Ruinenfeld", sagte das Stadtoberhaupt. "Es ist eine Katastrophe." In Petrinja fiel durch das Beben der Strom aus – auch im Krankenhaus. Der Fernsehsender N1 zeigte Bilder von Patienten, die ihre Handys als Taschenlampen benutzten. Das Stadtzentrum lag mit Anbruch der Nacht im Dunkeln.
Die 70-jährige Rentnerin Vesna sagte zu AFP, sie wolle zusammen mit ihren Enkelinnen in ihrem Auto schlafen: "Wir haben Angst, nach Hause zurückzukehren." Andere Rentner versammelten sich in einem Park und hüllten sich in Decken ein. Regierungschef Plenkovic kündigte an, Container nach Petrinja schicken zu lassen. "Wir müssen alternative Unterkünfte finden, hier ist es nicht sicher", sagte er bei einem Besuch in der Stadt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte umgehend Hilfe zu. "Wir sind bereit zu unterstützen", schrieb sie nach einem Gespräch mit Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic auf Twitter. Sie habe den für humanitäre Hilfe zuständigen EU-Kommissar Janez Lenarcic gebeten, so bald wie möglich ins Erdbebengebiet zu reisen. "Wir stehen an der Seite Kroatiens", betonte von der Leyen. Das EU-Katastrophenschutzteam sei "bereit, nach Kroatien zu reisen, sobald es die Situation erlaubt." Ratspräsident Charles Michel erklärte, "unsere Gedanken sind bei den Verletzten und den Rettungskräften".
Die Balkan-Region ist stark erdbebengefährdet, weil sich dort die afrikanische Platte unter die eurasische schiebt. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Balkanregion immer wieder Erdbebenkatastrophen erlebt. Im Juli 1963 zerstörte ein Beben das Zentrum von Skopje, der Hauptstadt der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien und des heutigen Nordmazedoniens. Mehr als 1000 Menschen starben. Im Oktober 1969 verwüstete ein Erdbeben die nordbosnische Stadt Banja Luka, nur 100 Kilometer vom Epizentrum des jüngsten Bebens in Kroatien entfernt: 15 Menschen starben. Im März 1977 suchte ein Beben der Stärke 7,5 die rumänische Hauptstadt Bukarest heim – es gab 1600 Todesopfer. Im März dieses Jahres war Zagreb von einem Beben der Stärke 5,3 erschüttert worden.
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