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Forschung zu Antibiotika-Resistenz Studie mit Igeln zeigt: MRSA gab es lange vor Antibiotika-Einführung

Ein junge Igel sitzt auf einer Holzdiele. Die Tiere können Träger von MRSA-Bakterien sein.
Forscher haben durch Igel neue Erkenntnisse zu MRSA-Bakterien gewonnen. 
© Soeren Stache / Picture Alliance
In Krankenhäusern sind MRSA-Bakterien wegen ihrer Antibiotika-Resistenzen gefürchtet. Wenn die Medikamente nicht mehr helfen, ist das ein großes Problem. Bislang dachte man, die Bakterien seien nach der Einführung von Antibiotika entstanden. Eine Studie mit Igeln bringt jetzt neue Erkenntnisse. 

Diese Geschichte sei so interessant, denn: "Wer liebt Igel nicht?", sagt Lance Price. Er ist Leiter des Antibiotic Resistance Action Center an der George Washington University. Die "New York Times" hat mit dem Wissenschaftler über eine Veröffentlichung im Fachblatt "Nature" gesprochen. Darin geht es um Igel. Allerdings nicht gerade darum, wie niedlich sie sind, sondern um die Entstehung von MRSA-Bakterien. 

MRSA ist die Abkürzung für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. Die Bakterien leben bei Menschen generell in der Nasenschleimhaut und auch auf der Haut und sind dort meist harmlos. Gelangen sie allerdings etwa durch Wunden in das Körperinnere, können sie gefährlich werden, nicht nur für alte und geschwächte Menschen. Solche Infektionen werden mit Antibiotika behandelt. Eine wichtige Rolle spielen Substanzen aus der Gruppe der Beta-Lactame. Resistente Bakterien wie MRSA sind jedoch gegen nahezu alle Beta-Lactame unempfindlich. Allein in Europa gebe es etwa 171.000 MRSA-Infektionen pro Jahr, schreibt das Team um Jesper Larsen vom Statens Serum Institut in Kopenhagen, das hinter der Studie mit den Igeln steht. 

Larsen und eine Gruppe von internationalen Forschern hat gemeinsam hunderte überfahrene Igel aus Dänemark und anderen europäischen Ländern sowie aus Neuseeland untersucht. Sie fanden heraus, dass auf der Haut eines Großteils der Igel MRSA-Bakterien leben. Vor allem die Igel aus Mittel- und Westeuropa trugen häufig MRSA, in England und Wales etwa zwei Drittel der Tiere. Alle betroffenen Igel trugen MRSA-Varianten mit dem Gen mecC. Diese enthalten den Bauplan für ein Enzym, das die Bakterien gegen die meisten Beta-Laktam-Antibiotika resistent macht.

MRSA-Variante kursiert in Igeln schon seit dem 19. Jahrhundert

Das Forschungsteam geht davon aus, dass die Resistenz bei Igeln als Reaktion auf einen bei den Tieren häufigen Hautpilz entstanden ist. Die Resistenz hilft dem Bakterium Staphylococcus aureus, sich auf der Haut der Igel gegen den Pilz zu behaupten. Die Forscher gehen davon aus, dass eine Variante von MRSA vermutlich schon seit dem frühen 19. Jahrhundert in Igeln kursiert. "Wir glauben, dass MRSA in einem Überlebenskampf auf der Haut von Igeln entstanden und sich später auf Nutztiere und Menschen durch direkten Kontakt verbreitet haben", wird Ko-Autor Ewan Harrison von der Universität Cambridge in einer Mitteilung der Hochschule zitiert.

Damit sei die Entstehung von Resistenzen kein modernes Phänomen, das ausschließlich mit dem Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin in Zusammenhang stehe. Tatsächlich seien manche mecC-MRSA-Infektionen beim Menschen entweder auf andere Zwischenwirte zurückzuführen oder auf direkten Kontakt mit Igeln. Antibiotika-resistente Bakterien sind also schon lange vor der Nutzung von Antibiotika entstanden.

Bislang gingen Experten davon aus, dass resistente S. aureus-Stämme durch den breiten Einsatz von Antibiotika in der Medizin entstanden sind. So entwickelte der Keim schon früh eine Resistenz gegen das erste Antibiotikum überhaupt, das um 1940 eingeführte Penicillin. MRSA wurde erstmals 1960 identifiziert, kurz nach der Einführung des Antibiotikums Methicillin im Jahr 1959. Seitdem wurden etliche MRSA-Varianten weltweit nachgewiesen – sowohl bei Menschen als auch bei Tieren, hier vor allem bei Nutztieren wie Schweinen und Kühen, die oft mit Antibiotika behandelt werden. Antiobiotika-Resistenzen werden in der Studie als als eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit weltweit bezeichnet. 

Die Autoren betonen, es sei wichtig, die Entwicklung von Resistenzen aufmerksam zu verfolgen. Dabei müsse man sowohl die Rolle der natürlichen Selektion in Wildtieren berücksichtigen als auch den Einfluss von Landwirtschaft und Medizin. Die Ergebnisse der Studie würden keineswegs die Dringlichkeit schmälern, den Gebrauch von antimikrobiellen Medikamenten einzudämmen, sagte Jesper Larsen der "New York Times". "Wenn wir Antiobiotika überverwenden, beschleunigen wir, was bereits in der Natur passiert." Über unser Verhältnis zu Igeln sagte er: Auch wenn die direkte Übertragung von Igeln unwahrscheinlich sei, sei es immer klug, eine gesunde Distanz zu den Tieren zu halten.

Igelexpertin und Co-Autorin der Studie Sophie Lund Rasmussen von der Wildlife Conservation Research Unit der Universität Oxford sagt: "Obwohl dieser Befund für uns neu ist, tragen die Igel dieses Bakterium seit mindestens 200 Jahren, ohne beim Menschen größere Infektionen zu verursachen." Daher laute der Rat wie immer: "Die Igel, die Ihren Garten betreten, zu schätzen und zu unterstützen und eine gute Handhygiene beim Füttern und möglicherweise beim Umgang mit Igeln einzuhalten. Sowohl den Igeln zuliebe als auch uns selbst."

Quelle: "New York Times", "Nature" 

key DPA

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