Einen Tag nach der Bahnkatastrophe in Nordkorea herrscht über die Unglücksursache und die Zahl der Todesopfer weiter Ungewissheit. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap zitierte am Freitag Regierungsbeamte in Seoul, wonach es möglicherweise bis zu 3.000 Tote und Verletzte bei dem Unglück gegeben habe. "Wir sind dabei, die Berichte zu dem Zwischenfall zu prüfen", teilte das Vereinigungsministerium in Seoul mit.
Südkoreanischen Medienberichten zufolge waren zwei Tankzüge im Bahnhof von Ryongchon zusammengestoßen und explodiert. Das Internationale Rote Kreuz hat zwar bislang noch kein Hilfeersuchen aus Pjöngjang erhalten, hält sich aber für einen Hilfseinsatz bereit. Der Delegationschef der Rotkreuzgesellschaften in Peking, Alister Henley, berichtete am Freitag, Hilfsgüter wie Medizin oder Decken könnten aus den laufenden Programmen in Nordkorea genommen werden und seien auch nur 20 bis 30 Kilometer vom Unglücksort entfernt.
Erste Hilfsorganisationen am Unglücksort
Unter Leitung des UN-Koordinators für humanitäre Hilfe seien in Pjöngjang Vertreter von Hilfsorganisationen zusammengekommen, um über kurzfristige Nothilfe zu beraten. "Ein Team des nordkoreanischen Roten Kreuzes ist zum Unglücksort gefahren, um die Situation einzuschätzen", berichtete Henley. Auch das chinesische Rote Kreuz steht bereit, um Hilfe zu leisten. "Wir haben aber noch kein Ersuchen erhalten", sagte ein Sprecher.
"Die Krankenhäuser in Dandong sind bereit, Verletzte aufzunehmen", sagte der Sprecher. "Aber bislang ist noch keiner über die Grenze gebracht worden." Das Rote Kreuz hat außer Medienberichten keinerlei andere Informationen über das Unglück. Wie es hieß, sind die Kommunikationsverbindungen zum Unglücksort schlecht. Der amtierende Präsident Südkoreas, Goh Kun, ordnete die Vorbereitung von Hilfsmaßnahmen für den Fall einer nordkoreanischen Bitte um Unterstützung an. Auch das südkoreanische Rote Kreuz bot seine Hilfe an.
Nordkorea schweigt
Einen Tag nach Berichten über die Zugkatastrophe hüllt sich Nordkorea weiter in Schweigen. Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichte auch am Freitag keine Meldung über einen Unfall.
Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete von einem Toten und zwölf Verletzten aus China und bestätigte damit erste Opfer auf ihrer Seite. Außerdem sollen zahlreiche Häuser in der Nähe des Bahnhofs von Ryongchon zerstört worden sein. Das chinesische Außenministerium bezog sich am Freitag lediglich auf von Chinesen bewohnte Häuser, die zerstört worden seien, gab jedoch allein deren Zahl mit über 20 an. Ein Chinese sei getötet und zwölf verletzt worden, teilte das Ministerium auf seiner Internetseite mit. Die Erklärung war zugleich die erste offizielle Bestätigung des Zugunglücks, über das zuvor vor allem südkoreanische Medien mit Kontakten nach Nordkorea berichtet hatten.
Ein Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums bestätigte am Freitag, dass es eine starke Explosion in Ryongchon gegeben habe. Der britische Sender BBC veröffentlichte auf seiner Web-Seite eine Aufnahme, bei der er sich um ein Satellitenfoto handeln soll, das 18 Stunden nach der Explosion aufgenommen wurde. Darauf sind riesige Rauchwolken zu sehen, der Brand scheint immer noch nicht gelöscht zu sein.
Keine Kollision?
Eine Zugkollision als Ursache der Explosion wurde unterdessen in einigen südkoreanischen Medien in Frage gestellt. Die Zeitung "Chosun Ilbo" berichtete, die Detonation habe sich in einem Gaslager nahe dem Bahnhof ereignet. Der Nachrichtensender YTN meldete, ein mit Flüssiggas beladener Zug sei explodiert, ohne mit einem weiteren zusammengestoßen zu sein.