Lüneburger Heide Storchen-Romanze in Schwarz-Weiß – ungleiche Arten werden Eltern

Ein Weißstorch und en Schwarzstorch auf einer Wiese
Auch wenn sich Weißstörche und Schwarzstörche in freier Wildbahn begegnen können, wie auf diesem Symbolfoto, ziehen sie normalerweise keine gemeinsamen Küken groß.
© Artokoloro / Imago Images
In der Lüneburger Heide haben eine Schwarzstörchin und ein Weißstorch Küken bekommen. Das galt bisher als unmöglich – denn die Vögel leben buchstäblich in unterschiedlichen Welten.

Wenn in der beschaulichen Lüneburger Heide gestandene niedersächsische Vogelexperten von einer Sensation sprechen, dann ist das auch so. Dort geschieht in diesen Wochen etwas, was bisher in freier Wildbahn als völlig unmöglich galt: Ein Weißstorch hat mit einer Schwarzstörchin gebrütet – und gemeinsam ziehen die beiden ungleichen Eltern jetzt Nachwuchs groß: zwei Küken, die inzwischen schon stattlich gewachsen sind und vermutlich demnächst ausfliegen werden.

Schwarz und Weiß ergibt normalerweise grau – und auch in diesem Fall ist es so: Ein Küken ist weiß-grau und das andere schwarz-grau, wie der Naturschutzbund Nabu und die Sendung "Hallo Niedersachsen" vom NDR berichteten. Bislang soll noch nie in freier Wildbahn beobachtet worden sein, dass ein Schwarz- und ein Weißstorch gemeinsam Küken bekommen haben.

Der Ort der ornithologischen Weltsensation liegt in der Lüneburger Heide, in der Nähe des Örtchens Lüder, sozusagen im Zentrum deutscher Bodenständigkeit. Als der NDR jüngst dort Aufnahmen machte, hatte sich eine kleine Schar "Paparazzi" von Vogelexpertinnen und -experten postiert, die Fotos von der Storchenfamilie machten – in einiger Entfernung vom Nest, um das kleine Familienglück nicht zu stören.

Storch trifft Storch – eine turbulente Beziehung

Die schwarz-weiße Storchenromanze ist durch die ständige Beobachtung also gut dokumentiert. Wobei – "Romanze" ein großes Wort ist für die etwas holprige Beziehung der beiden Tiere.

Denn Weißstorch "Heinrich" lebte eigentlich in einer festen Beziehung mit seiner "Ilse", die genau wie er ein Weißstorch ist. Doch die langjährige Partnerin kehrte in diesem Frühling nicht aus ihrem Überwinterungsquartier zurück, wie der Nabu berichtet.

Ohne seine "Ilse" war Storch "Heinrich" allein und "offenbar für eine neue Liebe bereit", heißt es beim Nabu. Vermutlich kannte er die Schwarzstörchin flüchtig von früheren und eher unschönen Begegnungen. Denn sie soll in den vergangenen Jahren "durch erfolglose, teilweise auch aggressive Kontaktversuche zu Weißstörchen" aufgefallen sein. Sprich: Sie wollte brüten, hatte von den Weißstorch-Männchen der Lüneburger Heide bisher jedoch reihenweise Körbe bekommen.

Auch von "Heinrich". Doch er blieb in diesem Frühling ja allein, und schließlich taten sich die beiden zusammen.

Allerdings ging schon beim Nestbau der Stress los. Denn normalerweise leben Schwarz- und Weißstörche in verschiedenen Lebensräumen und wenden jeweils eigene Nestbau-Techniken an. Außerdem hat jedes Elternteil seine eigenen Vorstellungen davon, was der Nachwuchs essen soll.

Unterschiedliche Präferenzen bei der Innenausstattung

Kaum hatte die Schwarzstörchin – sie wird "Isis" genannt – das Nest mit Moos ausgepolstert, pflückte "Heinrich" die Deko wieder heraus und legte Gras in der familiären Behausung aus. Irgendwie war das Nest jedoch am Ende fertig, so der Nabu. Und im Mai schlüpften demnach die zwei Küken.

Diese werden jetzt mit allem möglichen Getier gefüttert, wie der Nabu berichtet: Papa Storch bringe leckere Heuschrecken und Mäuse, während die Mutter den Nachwuchs mit Fisch versorge. Was die Kleinen am liebsten mögen, sei nicht bekannt, stellte der NDR etwas enttäuscht fest.

So kurios das alles klingt, Schwarzstorchbetreuer Arne Torkler zeigte sich in der Presse auch besorgt: "So soll es nicht sein", sagte er. "Der Schwarzstorch gehört für mich in den Wald und nicht auf den Mast, um dann Hybriden auszubrüten", wird er in der Meldung des Nabu zitiert.

Weißstörche leben in der Nähe menschlicher Siedlungen, auf Wiesen und Weiden. Dagegen sind Schwarzstörche auf ungestörte Wälder angewiesen, in denen sie in Bächen nach Nahrung fischen.

Schwarzstörche brauchen ungestörte Wälder zum Überleben

Insgesamt sei die Population der Schwarzstörche in Niedersachsen rückläufig, sagte Torkler dem Nabu. Auch der bayerische Naturschutzbund LBV macht auf die Gefährdung des Schwarzstorchs sowie anderer Arten, die im Wald leben, aufmerksam, die sich auch durch den Ausbau von erneuerbaren Energien weiter verschärfe. Im dicht besiedelten Deutschland würden immer wieder Windkraftanlagen in und an Wäldern errichtet, was dem Schutz bedrohter Arten entgegen stehe, so der Verband.

Warum die Schwarzstörchin in Niedersachsen keinen Partner ihrer Art gefunden hat, geht aus den Berichten nicht hervor. Und aktuell rücken die vermutlich traurigen Hintergründe der ungewöhnlichen Storchenfamilie in den Hintergrund angesichts des Bruterfolgs der ungleichen Eltern. Die Jungstörche entwickeln sich offenbar prächtig.

Ob sie selbst einmal Eltern werden können, ist unklar. Manche Hybride aus unterschiedlichen Tierarten sind unfruchtbar. Bisher können Vogelexperten die Frage nicht beantworten, ob das auch auf die schwarz-weißen Jungstörche aus der Lüneburger Heide zutreffen wird.

Sehen Sie in der Fotostrecke, welche Tier-Hybride es noch gibt. Viele davon kommen nur in Gefangenschaft vor.

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