Fehlende Rettungsgasse bei Klimaprotest Tödlicher Unfall in Berlin: Welche Rolle spielt der verspätete Rüstwagen? Feuerwehr widerspricht Notärztin

Rettungsarbeiten nach dem Fahrradunfall auf der Berliner Bundesstraße
Bei dem Unfall erfasste ein Betonmischer-Lkw eine Radfahrerin auf der Berliner Bundesallee. Die Frau starb wenig später im Krankenhaus.
© Paul Zinken / DPA
Hätte der Rüstwagen der Berliner Feuerwehr helfen können, die bei einem Unfall in Berlin verletzte Radfahrerin zu retten? Weiter unklar. Laut Feuerwehr hätten die Rettungskräfte allerdings mehr Handlungsoptionen gehabt. Die eingesetzte Notärztin bewertete die Rolle des Fahrzeugs zuvor deutlich keiner.

Im Fall des tödlich verlaufenen Verkehrsunfalls auf der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf am 31. Oktober widerspricht die Berliner Feuerwehr der am Unfallort eingesetzten Notärztin.

Laut einem internen Vermerk, der der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) vorliegt, hatte die Medizinerin angegeben, sie hätte sich auch beim Vorhandensein eines Krans oder Rüstwagens der Feuerwehr gegen deren Einsatz und für das gewählte Vorgehen entschieden: Den Betonmischer mit eigener Motorkraft bewegen zu lassen, um das im Zwillingsreifen des Lkw einklemmte Bein zu befreien. "Ein Anheben wurde kurz erwogen, hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert", zitiert die SZ aus dem Vermerk. Im Klartext: Nach Auffassung der Notärztin spielte es für die Behandlung der 44-jährigen Schwerverletzten keine Rolle, ob das angeforderte Spezialfahrzeug der Feuerwehr im Stau stand oder nicht.

Feuerwehr widerspricht Auffassung der Notärztin

Dieser Auffassung widerspricht die Berliner Feuerwehr in einem internen Bericht, der unter anderem dem stern vorliegt. Demnach ist das Fahren des Unfall-Lkw, also die Variante der Notärztin, "grundsätzlich keine empfohlene Rettungstaktik", sei aber nach Absprache aller beteiligten so entschieden worden. "Durch rechtzeitiges Eintreffen des RW 3 (Rüstwagen der Feuerwehr; Anm. d. Red.) hätten sich den Verantwortlichen vor Ort weitere Handlungsoptionen geboten. Zudem wäre eine Fachberatung 'Technische Rettung' an der Einsatzstelle möglich gewesen", heißt es in dem Bericht. "Laut Aussage des TD (Technischer Dienst der Feuerwehr) wäre nach dem Eintreffen des RW 3 eine 'patientenschonendere' Rettung möglich gewesen."

Wichtig dabei: Ob das Leben der 44-Jährigen durch das rechtzeigte Eintreffen des Rüstwagens hätte gerettet werden können, ist vollkommen unklar und wird sich womöglich auch nie abschließend beurteilen lassen. Die Frau war bereits beim Eintreffen der ersten Rettungskräfte um 8.28 Uhr schwer verletzt, befreit wurde sie letztlich von 8.40 bis 8.45 Uhr. Um 8.45 Uhr traf dem Protokoll zufolge auch der in Rede stehende Rüstwagen der Feuerwehr am Unfallort ein. Er hat zum Beispiel Druckluftkissen oder hydraulische Systeme an Bord, mit denen schwere Lasten bewegt werden können.

Nach Alarmierung des Fahrzeugs um 8.26 Uhr war von einer Ankunft um 8.37 Uhr ausgegangen worden. Der Rüstwagen kam jedoch auf der A100 im morgendlichen Berufsverkehr nicht voran. Zusätzlich stauten sich die Fahrzeuge in Folge einer Protestaktion zweier Klimaaktivisten, die am Dreieck Funkturm auf eine Schilderbrücke über die Autobahn geklettert waren. Die kurz vorab informierte Polizei sperrte daher zwei der drei Spuren in Richtung Süden, rekonstruierte der "Tqagesspiegel". Offenbar behinderte eine nicht oder nur unzureichend gebildete Rettungsgasse durch die Autofahrenden das Vorankommen des Feuerwehrfahrzeugs zusätzlich. Der Rüstwagen ist mit rund 2,50 Meter breiter als viele andere Fahrzeuge der Rettungskräfte. Ein Feuerwehrmann sagte dem "Tagesspiegel", die Fahrt sei nur "schleppend" vorangegangen.

Berliner Staatsanwaltschaft untersucht Unfall und Umstände

Nach Darstellung der Feuerwehr in ihrem internen Bericht hätte es bei einem rechtzeitigen Eintreffen des Rüstwagens andere und womöglich frühere Möglichkeiten gegeben, die Frau zu befreien. Stattdessen fuhr ein Feuerwehrmann mit dem Betonmischer-Lkw noch einmal über das Bein der Verletzten, um sie zu befreien. 

Der 64-jährige Fahrer hatte mit seinem Betonmischer-Lkw die Radfahrerin auf der mehrspurigen Bundesallee erfasst. Dort ist ein benutzungspflichtiger Radweg vorhanden. Das Unfallopfer ist wenige Tage nach dem Unfall im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlegen. Die verlängerte Anfahrt des Feuerwehr-Rüstwagens hatte bundesweit Diskussionen über die Protestformen der "Letzten Generation" ausgelöst. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt zu dem Unfall und der Rolle der Klimaaktivisten.

Quellen: Feuerwehr Berlin zum Rüstwagen, "Süddeutsche Zeitung" (kostenpflichtiger Inhalt), "Tagesspiegel" (kostenpflichtiger Inhalt), Polizei Berlin, interner Bericht der Berliner Feuerwehr, Nachrichtenagentur DPA

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