Warum drücken sich Männer vor der Hausarbeit? Diese Frage beschäftigt Frauen von jeher, doch nun sind Wissenschaftler der University of Cambridge der Sache auf den Grund gegangen. Die traurige Wahrheit ist: Männer nehmen Unordnung nicht in der gleichen Weise wahr wie Frauen.
Sie sind durchaus nicht blind. Sie bemerken Schmutz und Krümel, nur löst die optische Information offenbar keinen inneren Wischbefehl aus. Frauen hingegen nehmen Unordnung sofort als Aufgabe wahr, die es zu lösen gilt. Nur ein sehr weitgehendes soziales Training ist in der Lage so unterschiedliche Programme im Gehirn abzusprechen. Wie ein Instinkt, löst der Anblick von Geschirr- oder Wäschestapel bei Frauen eine Handlung aus, bei Männern hingegen nicht. Leben die Personen allein, ist das kein Problem, bei einem gemeinsamen Haushalt gerät die Frau in eine Falle, da ihre Schmutz- und Chaostoleranz viel geringer ist.
Der Stress, nichts zu tun
Sie nehmen an, dass das Problem darin besteht, dass Männer und Frauen das, was sie sehen, auf unterschiedliche Weise wahrnehmen. Sie haben dieses Phänomen als "Affordanztheorie" bezeichnet. "Jede beliebige häusliche Aufgabe fordert einen Akteur auf, sie zu erledigen", heißt es in ihrem Papier.
"Wenn Jill die unordentliche Küche betritt, sieht sie das Geschirr zum Abwaschen, den Boden zum Fegen, den Kühlschrank zum Auffüllen, die Arbeitsplatte zum Abwischen, die Wertstofftonne zum Mitnehmen, die reifen Bananen auf der Theke zum Aufessen."
"Jack sieht natürlich, dass Geschirr in der Spüle steht, dass die Bananen eher braun als gelb sind oder dass der Kühlschrank leer ist. Aber diese Wahrnehmungen 'zerren' nicht an ihm - sie stellen die entsprechende Aufgabe nicht als 'das musst du erledigen' dar."
Bewusste Entscheidungen trainieren
"Wir vermuten, dass Frauen bei vielen häuslichen Aufgaben mit größerer Wahrscheinlichkeit die entsprechende Aufforderung wahrnehmen." Prof. Paulina Sliwa sagt, dass dieser Zusammenhang wissenschaftlich untermauert sei. "Die Neurowissenschaft hat gezeigt, dass die Wahrnehmung einer Aufforderung neuronale Prozesse auslösen kann, die einen auf eine körperliche Handlung vorbereiten. Dies kann von einem leichten Drang bis hin zu einem überwältigenden Zwang reichen, und es erfordert oft eine mentale Anstrengung, nicht auf so eine Aufforderung zu reagieren."
Tom McClelland von der Universität Cambridge nimmt an, dass diese Theorie die ungleiche Arbeitsbelastung bei der Hausarbeit erklären könnte. Die Frauen geraten in eine dumme Situation, entweder sie machen die Hausarbeit oder sie leiden darunter, die Aufgabe nicht zu erledigen. "Dies bringt Frauen in eine Zwickmühle - entweder Ungleichheit bei der Arbeit oder Ungleichheit bei der kognitiven Belastung", so Sliwa.
Die Männer sollen nun nicht freigesprochen werden. Weil sie nicht instinktiv zum Putzen gedrängt werden, könnten sie sich doch bewusst dafür entscheiden.
Oder sich gar umprogrammieren, so McClelland. "Wir können die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, durch kontinuierliche bewusste Anstrengung und die Kultivierung von Gewohnheiten ändern." "Ein Mann könnte sich zum Beispiel vornehmen, jedes Mal, wenn er darauf wartet, dass der Wasserkocher kocht, Krümel weg zu fegen. Dies würde ihm nicht nur helfen, die Aufgaben zu erledigen, die er nicht sieht, sondern auch seine Wahrnehmung allmählich umschulen, so dass er die Aufforderungen des Haushalts in Zukunft sehen kann".