476 nach Christus fällt der Vorhang. In der ewigen Stadt Rom verliert der letzte römische Kaiser seine Macht. Odoaker, ein weströmischer Offizier germanischer Herkunft, setzt den 16-jährigen Romulus Augustus ab. Die kaiserlichen Insignien schickt Odoaker nach Ostrom. Man benötige im Westen keinen Kaiser mehr, schreibt er an den oströmischen Herrscher. Die Geschichtsschreiber datieren das Ende des weströmischen Reiches auf den 4. September. Bis heute wird in vielen Geschichtslehrbüchern dieses Datum als der Tag des Untergangs des römischen Imperiums genannt – und als Beginn einer neuen Epoche: des Mittelalters.
Tatsächlich hat der 4. September 476 in der Geschichtswissenschaft einen umstrittenen Status, wie so viele andere Daten auch, die einen epochalen Umbruch markieren sollen.
200 Theorien zum Untergangs von Rom
Die Weltmacht Rom zerbricht nicht in einem einzigen dramatischen Moment. Als Romulus Augustus abgesetzt wird, läuft das gewohnte Leben für viele römischen Bürger weiter. Die Aquädukte versorgen die Bewohner hunderter Städte weiter mit frischem Wasser. Und die Römerstraßen führen immer noch alle nach Rom.
Es ist eine lange Kette von Entwicklungen und Ergebnissen, die Schritt für Schritt den Machtzerfall des Imperium Romanum bedeuten. Zu den Ursachen des Untergangs des Römischen Reiches existieren mittlerweile bis zu 200 unterschiedliche Theorien. Welche Rolle spielten die sogenannte Völkerwanderung und die Plünderung Roms unter Alarich? Welche Folgen hatte der Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion? Und gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Zerfall des Römischen Reiches und dem historischen Klimawandel?
Ausstellung in Trier zeigt 700 Exponate
Diesen Fragen geht die Große Landesausstellung in Rheinland-Pfalz nach. Mit einer Schau der Superlative. Drei Museen zeigen über 700 Exponate aus 20 Ländern. Bis zum 27. November 2022 läuft die Ausstellung in Trier. Schließlich wurde die Stadt als spätrömische Kaiserresidenz und größte Römermetropole nördlich der Alpen zum Schauplatz der Weltgeschichte.
Den zentralen Teil der Ausstellung zeigt das Rheinische Landesmuseum Trier. Hier wird auf 1000 Quadratmetern anhand internationaler Spitzenexponate die Geschichte des entscheidenden 4. und 5. Jahrhunderts erzählt. Das Museum am Dom widmet sich den Anfängen des Christentums bis ins 7. Jahrhundert. Und das Stadtmuseum Simeonstift Trier zeigt das Fortleben des römischen Imperiums in Kunst und Kultur.
Ein opulenter Bildband begleitet die große Sonderausstellung. In Themenblöcke gegliedert führt das Band durch die verschiedenen historischen Entwicklungen, die das weströmische Reich in der Spätanike geprägt haben. Anhand von ausgewählten Beispielen wird aufgezeigt, welche Auswirkungen der politische und militärische Untergang Westroms auf das Leben der Bürger der einstigen Weltmacht hatte. Die einzigartigen Fundstücke, die in der Sonderausstellung in Trier präsentiert werden, gewähren Einblicke in eine spannende Umbruchphase der Weltgeschichte.
Zahlreiche international anerkannte Historiker spannen den Bogen von Niedergang und Teilung des Römischen Reiches bis hin zur aktuellen Diskussion rund um Ursachen und Deutungsversuche. Denn noch immer werden konträre Standpunkte vertreten, sodass es ungewiss bleibt, ob das Rätsel um den Fall Roms je eindeutig gelöst werden kann. Manche bezweifeln sogar, dass es einen Untergang gegeben hat.
"Der Untergang des Römischen Reiches", Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.), erschienen bei wbg Verlag & Buchgesellschaft, 465 Seiten mit über 500 farblichen Abbildungen. Preis: 40 Euro.