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Vulkanausbruch 79 n. Chr. Gehirn zu Glas erstarrt: Neue Studien enthüllen grausames Schicksal der Vesuv-Opfer

Ausgrabungsstätte in Herculaneum: Die Skelette der vom Vesuv-Ausbruch überraschten Bewohner sind erstaunlich gut erhalten
Ausgrabungsstätte in Herculaneum: Die Skelette der vom Vesuv-Ausbruch überraschten Bewohner sind erstaunlich gut erhalten
© Martin Moxter / Picture Alliance
Am 24. August 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und begrub Städte wie Pompeji und Herculaneum unter seiner glühend heißen Asche. Tausende starben. Zwei neue Studien enthüllen nun, was mit den Körpern der Menschen geschah, als die heiße Asche kam.

Der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. verurteilte Tausende Menschen zum Tod. Innerhalb weniger Stunden fegte eine Wolke heißer Vulkanasche über die Landschaft und verschüttete die am Fuße des Vulkans gelegenen römischen Städte Pompeii, Herculaneum, Oplontis und Stabiae. Zwei neue Studien werfen nun ein neues Licht auf das grausame Schicksal ihrer Bewohner und enthüllen, was mit ihren Körpern geschah, als die heiße Asche niederging. 

An der Teesside University in Großbritannien untersuchte Tim Thompson, Professor für Angewandte Biologische Anthropologie, mit seinen Kollegen 152 Skelette, die bei Ausgrabungen in den 1980er und 1990er in Herculaneum freigelegt worden waren. Aus Stein gebaute Bootshäuser wurden einst für diese Menschen zum Grab. Thompson schätz, dass sie dort Zuflucht gesucht haben könnten, in der Hoffnung noch mit Booten in die Bucht von Neapel fliehen zu können.

Im Gegensatz zu den in Pompeji gefunden Körpern, wo unheimliche Abgüsse, die in einigen Fällen sogar die letzten Gesichtsausdrücke der Menschen erkennen lassen, erhalten sind, sind von den Opfern in Herculaneum nur Skelette übrig geblieben. Aus diesem Grund haben Forscher bislang angenommen, dass durch die heiße Asche die Körperflüssigkeiten und das Gewebe praktisch augenblicklich verdampften. Temperaturen von bis zu 500 Grad sollen erreicht worden sein. Bei dieser Hitze musste der Tod augenblicklich eingetreten worden sein.

Auf dem glühend heißen Steinboden förmlich "gekocht"

Thompsons Studienergebnisse widerlegen aber nun diese Annahme. Die untersuchten Knochenproben enthalten nämlich immer noch einen hohen Anteil an Kollagen, einem Protein, das beim Verbrennen relativ schnell abgebaut wird, heißt es in der Studie, die am Donnerstag in der Fachzeitschrift "Antiquity" veröffentlicht wurde. "Das zwang uns zu einem anderen Denkansatz, um zu erklären wie diese Menschen gestorben sind", erklärte Thomson gegenüber CNN. Der Nachweis des Kollagens in den Knochen bedeutet, dass die Körper einer Temperatur von weniger als 400 Grad ausgesetzt waren. Das Protein verwandelt sich erst bei einer Temperatur von über 500 Grad zu einer gallertartigen Substanz. 

"Die Hitze verursachte einige Veränderungen am Äußeren, aber nicht unbedingt am Inneren der Knochen", erläuterte der Forscher. Dies bedeutet, dass sie keiner so großen Hitze ausgesetzt waren, wie ursprünglich angenommen. Thomson vermutet, dass die steinernen Bootshäuser einen Teil der Glut zurückhielten. Er und seine Kollegen gehen davon aus, dass die Hitze im Inneren der Gebäude zunehmend anstieg. "Die Wände und die eigene Körpermasse der Menschen verteilten die Wärme in einer Art und Weise, die dem Backen am nächsten kommt", so Thomson. Für die Eingeschlossenen bedeutete dies ein schreckliches Schicksal: Sie wurden auf dem glühend heißen Steinboden förmlich "gekocht". Die etwas Glücklicheren ersticken zuvor an giftigen Dämpfen. "Diese Menschen starben also nicht durch sofortige Verdampfung des Weichgewebes", schlussfolgert er. Dieser Prozess hat demnach eine gewisse Zeit in Anspruch genommen.

Zweite Studie stärkt die Verdampfungs-These 

Am Donnerstag wurde eine weitere separate Studie im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht. Pierpaolo Petrone, ein forensischer Anthropologe an der Universität von Neapel, entdeckte in einem der Schädel, der in Herculaneum geboren wurden, eine glasige schwarze Substanz. Sie enthält mehrere Proteine, die im Hirngewebe vorkommen, sowie Adipin- und Fettsäuren, die in Talg und Haaren enthalten sind. Er und seine Kollegen glauben, dass diese Masse der Rest des geschmolzenen Gehirns ist, der sich nach dem Abkühlen zu "Glas" verfestigt habe. 

Anhand der verkohlen Holzreste am Ort des Fundes konnte festgestellt werden, dass die Temperaturen hier 520 Grad Celsius erreicht hatten. Die Überreste der Person waren auf einem Holzbett in einem Gebäude, das aus Vulkangestein und Ziegeln gebaut war, entdeckt worden. Die Forscher glauben, dass die extreme Hitze das Körperfett der Person entzündet, Weichgewebe verdampft und die Fettproteine ​​des Gehirns verglast hat.

Doch laut Thomson spricht dieser Befund nicht gegen seine These. Das Individuum, dessen Überreste in Petrones Studie untersucht wurden, "hat die Hitze möglicherweise direkter erlebt", argumentiert er. Während er sich auf Opfer konzentriert habe, die in Steinhäusern zusammengedrängt waren, wurde Petrones Untersuchungsperson alleine in einem Ziegelbau von der Asche verschüttet.

Für den ein oder anderen mögen solche Untersuchungen zu grausigen Details des Todes so vieler Menschen morbide erscheinen. Doch Thomson betont, dass die Studien wichtig sind, um zu verstehen, wie der menschliche Körper auf Hitze reagiert. Dies könnte beispielsweise Forensikern helfen, Leichen zu identifizieren.

Quellen: "Antiquity", CNN"New England Journal of Medicine"

ivi

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