Nur wenige Stunden nach der Rückkehr zur bemannten Raumfahrt hat die US-Weltraumbehörde Nasa einen schweren Rückschlag einstecken müssen. Nach dem von Problemen begleiteten Start der Raumfähre "Discovery" setzte sie zum zweiten Mal alle Space-Shuttle-Flüge vorerst aus. Das trifft nicht nur die US-amerikanische, sondern auch die europäische Raumfahrt. So ist ungewiss, ob und wann Astronaut Thomas Reiter als erster Deutscher zu einer Langzeitmission auf der Internationalen Raumstation ISS starten kann. Unterdessen hat die "Discovery" mit sieben Astronauten an Bord am Donnerstag planmäßig an die ISS angedockt. Unklar blieb zunächst, ob die Astronauten mögliche Schäden am Shuttle reparieren und wie geplant am 7. August zur Erde zurückkehren können.
Beim Abheben vom Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral am Dienstag war ein Stück der Schaumstoffisolierung am Treibstofftank abgeplatzt. Daraufhin hatte die US-Weltraumbehörde Nasa bis auf weiteres alle Shuttle-Flüge ausgesetzt. Außerdem sollen mehrere Kacheln am Hitzeschild der Fähre beschädigt sein.
Programmdirektor Bill Parsons sprach am Mittwoch in Houston (Texas) von einem Rückschlag und einer persönlichen Enttäuschung nach der Freude über den Start der "Discovery". Er wollte sich nicht festlegen, ob in diesem Jahr noch ein weiteres Shuttle vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral in Florida starten wird. Nach bisherigen Plänen sollte die Raumfähre "Atlantis" am 9. September zur ISS fliegen.
Keine Gefährdung der Crew
Die Nasa will trotz der Zwischenfälle beim Start der "Discovery" ihre drei Space-Shuttle nicht vorzeitig ausmustern. "Wir hatten ein Problem, und wir werden es beheben", sagte Nasa-Manager John Shannon am Donnerstag im "Johnston Space Center" in Houston (Texas). Dies werde einige Zeit dauern. Nasa-Direktor Michael Griffin dämpfte zu große Erwartungen. "Wir werden nie alle Probleme lösen", sagte Griffin dem US-Nachrichtensender CNN. Irgendwann müssten die Shuttle außer Betrieb genommen und zu einer besseren Raumfähre übergegangen werden. Nach den Worten der Nasa-Manager besteht zurzeit keine Gefährdung der siebenköpfigen Crew durch Beschädigungen an drei Hitzekacheln am Unterboden des Shuttle.
Kommandantin Eileen Collins dockte unterdessen am Donnerstag die "Discovery" sicher an die ISS an. Zuvor hatten die zwei Mann Besatzung auf der Raumstation das Shuttle im Anflug von allen Seiten fotografiert, um mögliche Schäden an der Raumfähre zu dokumentieren. Es war das erste Andocken eines US-Shuttle an die ISS seit dem Absturz der Raumfähre "Columbia" vor zweieinhalb Jahren. Nach dem "Columbia"-Unglück mit sieben Todesopfern hatte die Nasa die Shuttle- Flüge gestoppt.
Nahrung für einen Monat an Bord
Im Wirbel um den Problemflug der "Discovery" betonten die russischen Raumfahrtbehörden, im Notfall die US-Besatzung nicht zur Erde heimholen zu können. Für die mitunter harte Landung der russischen Sojus-Kapseln müsse jeder Kosmonaut an Bord in speziell auf ihn zugeschnittenen Schalensitzen festgeschnallt werden, teilte ein Sprecher der Raumfahrtbehörde Roskosmos am Donnerstag in Moskau mit. Solche russischen Sonderanfertigungen gebe es für die sieben "Discovery"-Astronauten nicht. Sollte die Crew der US-Raumfähre nicht mit dem Shuttle zur Erde zurückkehren können, reicht nach Einschätzung russischer Experten das Essen und Trinken auf der ISS maximal einen Monat.
Die europäische Raumfahrtorganisation Esa sieht eine Verzögerung beim Flugplan der amerikanischen Space-Shuttle-Flüge nicht als Katastrophe. "Es geht halt etwas zäher weiter, aber es geht weiter", sagte ESA-Direktoriumsmitglied Dieter Isakeit. Möglicherweise könne der nächste Shuttle-Flug erst im März starten, wenn nicht schon in wenigen Tagen die Ursache für die Ablösung des Schaumstoffs vom Außentank gefunden werde. Damit verzögere sich auch der Ausbau der ISS. Denn nur die US-Shuttle können die Teile für den Ausbau transportieren.
Der Betrieb auf der internationalen Raumstation ISS könne weitergehen, sagte Isakeit. Die Europäer sind nach seinen Angaben inzwischen die größten ISS-Nutzer.
Die Aussetzung aller Space-Shuttle-Flüge hemmt nach Einschätzung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch deutsche Pläne. "Für uns ist die Verschiebung der weiteren Space-Shuttle-Flüge natürlich sehr problematisch, denn wir sind mit dem Astronauten Thomas Reiter, der im September zur ISS starten sollte, unmittelbar betroffen", sagte DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Sigmar Wittig. Reiter sollte am 9. September als erster Deutscher mit dem US-Shuttle "Atlantis" zu einem ISS-Langzeitaufenthalt starten. Zudem verschiebe sich der Start des europäischen Moduls "Columbus" zu Forschungszwecken.
Seit dem Absturz der Raumfähre "Columbia" am 1. Februar 2003 waren alle drei verbliebenen Nasa-Raumfähren zur Verbesserung der Sicherheit am Boden geblieben. Unter anderem wurde der Außentank neu konstruiert, von dem beim Start der "Columbia" ebenfalls ein Stück Schaumstoff abgeplatzt war. Damals prallte das Stück gegen die Raumfähre, wo es eine Hitzekachel beschädigte, was zur späteren Katastrophe führte.