Händewaschen kann weit mehr sein als Reinigung von Schmutz und Schutz vor Bakterien und Viren. Viele Menschen empfinden den Prozess der körperlichen Säuberung unbewusst auch als Befreiung von einem schlechten Gewissen. Diesen psychologischen Effekt hat ein Forscherteam in Toronto und Chicago in einer Reihe von Studien nachgewiesen. Ihre Ergebnisse stellen Chen-Bo Zhong und Katie Lilienquist im Wissenschaftsjournal "Science" vor.
Viele Religionen benutzen Wasser, um Gläubige symbolisch von ihren Sünden zu befreien, schreiben die Autoren. Ein Beispiel sei die Taufe von Christen, ein anderes die Fußwäsche von Moslems vor dem Gebet. Auch Shakespeare habe die symbolische Bedeutung schon vor Hunderten von Jahren durchschaut. Seine Lady Macbeth hoffe ernsthaft, sich mit ein paar Tropfen Wasser von der Schuld am Mord von König Duncan befreien zu können, schreiben die beiden Psychologen.
Moralische Absolution am Waschbecken
Ihre Untersuchungen zielten auf mehrere Fragen ab. Zum einen ermittelten sie, ob sich manche Menschen tatsächlich unbewusst einer körperlichen Reinigung unterziehen, um moralische Absolution zu erlangen. Zum anderen gingen sie der Frage nach, ob dieser Weg zum Erfolg führt und saubere Menschen auch ein besseres Gewissen haben. In einer weiteren Befragung versuchten die beiden Forscher herauszufinden, ob ungewaschene Menschen sich auch moralisch schlechter fühlen.
Zur Überraschung der beiden Forscher lautete die Antwort auf alle drei Fragen "Ja". Die Probanden mussten zunächst an eine moralisch einwandfreie oder an eine verwerfliche Tat aus ihrer Vergangenheit denken. In einem Versuch durften sie anschließend als Geschenk ein antiseptisches Tuch oder einen Bleistift auswählen, in einem anderen mussten sie Wortteile zu sinnvollen Wörtern ergänzen. Dabei war es bei der Hälfte der Wörter möglich, sowohl einen die Reinheit betreffenden Begriff als auch ein anderes Wort zu bilden. So konnten etwa die Buchstaben "w...h" zu "wash" (waschen) oder zu "wish" (wünschen) ergänzt werden.
Das Resultat war eindeutig: Probanden, die an eine unmoralische Tat gedacht hatten, zogen das antiseptische Tuch dem Bleistift vor und bildeten häufiger reinheitsbezogene Begriffe als ihre Versuchskollegen. In einem weiteren Experiment beobachteten die Wissenschaftler zudem, dass Waschen auch die moralische Verpflichtung einem anderen gegenüber abschwächen kann: Als die Forscher Probanden fragten, ob sie für einen Studenten in einer anderen Studie einspringen könnten, erklärten sie sich weit seltener dazu bereit, wenn sie sich zuvor gewaschen hatten.