Tag gegen den Lärm Immer was um die Ohren

Von Maxie Thielemann
Ob Presslufthammer, Autos, Flugzeuge oder Handys - wir sind von Krach umgeben. Selbst in deutschen Klassenzimmern herrscht ein Lärmpegel wie beim Rasenmähen. Am internationalen Tag gegen den Lärm warnen Experten vor Hörschäden. stern.de sprach mit Leuten, die es mit dem Krach aufnehmen.

Haben Sie "schon gehört?" Heute, am 16. April, ist der internationale Tag gegen den Lärm. Zu diesem Anlass wird man allerdings nicht weniger hören als sonst. Wie an jedem Werktag rauscht es von Straßen und Bahnschienen, klingeln die Handys und selbst der Computer summt und brummt. Lärm umgibt uns von vielen Seiten, nur können wir unsere Ohren nicht davor verschließen. Durch diese Dauerbeanspruchung können sich die Ohrfunktionen im Laufe des Lebens abnutzen "wie ein Teppich", erklärt Dr. Michael Fuchs, Leiter der Abteilung für Stimm-, Sprach- und Hörstörungen an der Universitätsklinik Leipzig. "Während unsere Bevölkerung quasi ständig einer Hörbelästigung ausgesetzt ist, gibt es auch Naturvölker, die nicht so einen Lärm haben. Die haben keine Altersschwerhörigkeit und hören selbst mit 90 Jahren noch perfekt."

"Eine Wand von kleinen schwatzenden Monstern"

Neben der Altersschwerhörigkeit beobachtet Fuchs, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen Hörschädigungen zunehmen. Gerade in Schule und Hort, also dort, wo sie den Großteil ihres Tages verbringen, herrscht selten Ruhe. So liegt der Schallpegel in deutschen Klassenzimmern zwischen 60 und 85 dB(A) - das ist ungefähr so laut wie ein Benzin-Rasenmäher. Gegen diesen Lärm müssen Lehrer und Schüler gleichermaßen antreten. Das kann Medienpädagogin Anke Peters nur bestätigen. Die Leipzigerin beschäftigt sich mit dem Thema Zuhörförderung, entwickelt Projekte an Schulen und hält Weiterbildungen für Pädagogen und Eltern. Sie kennt die Probleme vieler Lehrer. Manche erzählen, sie müssten im Unterricht regelrecht gegen "eine Wand von kleinen schwatzenden Monstern" anreden - eine körperliche Belastung, die in einigen Fällen auch gesundheitliche Konsequenzen hat. Wenn Peters bei Projekttagen über Stille spricht, dann spüren auch die Kinder am Ende, wie angenehm die Ruhe im eigenen Klassenzimmer sein kann. Aber wenn keine ruhigen Momente einen Kontrast schaffen, wird Lärm zur Gewöhnung.

Auf Mission in der eigenen Schule

Auch die 18-jährige Dorle Knauf hatte sich daran gewöhnt. Bis sich die Freiberger Schülerin im Rahmen einer Projektarbeit intensiv mit lärmbedingten Hörschäden bei Jugendlichen auseinandergesetzt hat. Sie machte eine Umfrage unter ihren Mitschülern, ließ sie sogar zum Hörtest antreten und drehte ein Video, um den Lärm auf den Schulfluren einzufangen. Das Ergebnis: Jede Menge Krach. Bei manchen 18-Jährigen war die Hörfähigkeit schon vermindert, doch kaum jemand hatte das selbst gemerkt. Auch nicht, wie laut es in den Klassenzimmern und auf den Schulfluren zuging. Für Dorle Knauf eine erschreckende Einsicht - und der Anlass, etwas zu verändern. Sie entwickelte ein eigenes Präventivprogramm, um ihre Mitschüler darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, das Gehör zu schützen.

Vorgeschmack aufs Taubsein

Dazu ging sie in Schulklassen, wo sie erstaunten Schülern ihr Video vorführte und ihnen mithilfe gedämpfter Tonaufnahmen einen Vorgeschmack darauf gab, wie es klingt, wenn man nicht mehr richtig hören kann. Und das ließ aufhorchen. Knauf hat bei ihrem Projekt gemerkt, wie wenig ihre Mitschüler über die Lärmbelastung wissen. "So können sie sich ja gar nicht schützen, und dem will ich vorbeugen", sagt die Schülerin und kommt zu dem Schluss: "Da muss man schon im frühen Kindesalter anfangen darüber aufzuklären." Mit ihren Forschungen und dem Präventivprogramm hat Dorle Knauf beim diesjährigen Landeswettbewerb von "Jugend forscht" in Sachsen den dritten Platz in Biologie belegt und einen Sonderpreis gewonnen.

Kinder sollten aber nicht nur zur Ruhe erzogen werden. Lärm ist nämlich nicht immer eine schlechte Sache, im Gegenteil findet Medienpädagogin Anke Peters: "Ich habe gemerkt, dass Lärm ein ganz wichtiger Bestandteil der normalen kindlichen Entwicklung ist. Und nur wenn wir Kindern Raum geben, auch mal Krach zu machen, können wir gemeinsam mit ihnen entdecken, wie es sein kann, still zu sein."

Ständig was um die Ohren

Doch es ist nicht einfach, in einer Umgebung still zu werden, die von Verkehrs- oder Baulärm gestört ist. Daneben entwickeln Haushaltsgeräte und Computer ein permanentes Grundrauschen. Eigentlich haben wir ständig etwas um die Ohren. Nicht umsonst meint die Floskel "viel um die Ohren haben", dass wir uns gestresst fühlen. Peters sieht das Lärmproblem realistisch: "Natürlich wäre es schön, wenn wir diesen Lärm minimieren könnten. Wir werden aber weder die technische Entwicklung aufhalten, noch die Gesellschaft verändern. Aber wir können die heutigen Bedingungen nutzen und uns dem Lärm bewusst von Zeit zu Zeit entziehen, uns Rückzugsmöglichkeiten schaffen." Das heißt konkret, auch mal den Fernseher oder das Radio auszuschalten. "Dann entsteht auch wieder Raum für Gespräche."

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