Kinderzeichnungen von 1220 Ein Tweet sorgt für Begeisterung: Wie die Kritzeleien eines Siebenjährigen aus dem Mittelalter das Netz erobern

Eine Zeichnung des Jungen Onfim
Eine Zeichnung des Jungen Onfim
© Wikimedia Commons
Dank eines eher obskuren Twitteraccounts erlangte ein Siebenjähriger mit seinen künstlerischen Experimenten unverhoffte Bekanntheit. Das Besondere: Der Kleine lebte im 13. Jahrhundert, seine Bilder stammen etwa aus dem Jahr 1220.

Es gibt viele Nutzer auf Twitter, die mit ihrem Account eine spezielle, oft eher obskure Nische bedienen. Da postet einer ausschließlich lustige Katzenfotos, ein anderer zitiert täglich Passagen aus einem uralten Kirchenbuch, wieder einer postet merkwürdige Fotos aus Kochbüchern der 70er Jahre (viele Eier, viel Gelee). Es sind ungewöhnliche Dinge wie diese, die Twitter für viele Menschen erst wirklich unterhaltsam machen. Denn ausschließlich Meinungen, Streit und Politik, den ganzen Tag, machen schließlich wenig Spaß. Zu diesen eher ungewöhnlichen Accounts zählt auch "Weird medieval guys" (seltsame mittelalterliche Kumpels), ein Konto, das von einer jungen Frau aus Schottland mit Interesse an mittelalterlicher Literatur und viel Humor betrieben wird.

Während die Betreiberin sich in ihrer Studien- und Arbeitszeit den ernsthafteren Inhalten und Hintergründen mittelalterlicher Manuskripte widmet, teilt sie mit den Twitter-Nutzern die komischen Seiten: Merkwürdige Zeichnungen, die die Mönche seinerzeit in den Büchern unterbrachten. Fabeltiere, unfreiwillig komische Kriegsszenen, viele lustige Darstellungen. Mit diesen Inhalten sammelte die Frau hinter "Weird medieval guys" inzwischen fast 400.000 Follower. Doch mit einem kürzlich verfassten Post sorgte sie unverhofft für besonders großes Aufsehen.

Tweet sorgt für großes Interesse

Statt einer amüsanten Zeichnung eines gelangweilten mittelalterlichen Mönches postete sie ausnahmsweise etwas anderes: Die Kritzeleien eines Jungen, die dieser etwa im Jahr 1220 in Stücke von Birkenrinde geritzt hatte. Daran ist gleich vieles besonders: Erstens hatte der Kleine, dessen Alter Experten auf etwa sieben Jahre schätzen, seinen Namen dazugeschrieben. Onfim heißt er, wohl eine Variante des Namens Anton, und er lebte im russischen Novgorod. Er sprach und schrieb Alt-Ostslawisch, aus dem sich später unter anderem die russische und ukrainische Sprache entwickelten.

Zweitens: Dass sich diese eindrücklichen Funde überhaupt erhalten haben. So etwas Fragiles wie Birkenrinde vergeht üblicherweise sehr schnell, zudem wurden simple Zeichnungen und Schulaufgaben wie die von Onfim – anders als teure, aufwendig hergestellte Manuskripte – von niemandem aufbewahrt oder besonders geschützt. Es ist ein kleines Wunder, dass der Junge uns seine "Werke" hinterlassen hat, und zu verdanken ist das wohl allein dem lehmigen Boden von Novgorod, der auch Holz konserviert.

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Twitter / X integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Ein ganz normales Kind – aus dem Mittelalter

Aber warum sorgten die Zeichnungen des Jungen Onfim für so viel Begeisterung im Netz? Mehr als 16.000 Menschen likten den Post von "Weird medieval guys" bereits, fast 3000 retweeteten ihn. Die Antwort ist wohl: Sie geben einen ungewohnten Einblick in das Leben der ganz normalen Menschen des Mittelalters, in das Leben eines ganz normalen Kindes. Und das, was Onfim zeichnet, unterscheidet sich nicht von dem, was Kinder heute zeichnen. Da malt er etwa einen furchterregenden Drachen. "Ich bin ein wildes Ungetüm", schreibt er daneben. Und darunter: "Grüße von Onfim an Danilo." Danilo, so glaubt man, war wohl ein (Schul-)Freund des Siebenjährigen.

Oder ein tapferer Ritter auf einem Pferd, das Schwert in der Hand. So einer wollte er wohl auch selber mal werden, wenn er groß ist – neben den schwertschwingenden Helden schrieb Onfim jedenfalls nochmal ausdrücklich seinen Namen. Gefunden wurden aber auch Schulaufgaben des Jungen: Er übte das kyrillische Alphabet, schrieb Bibelpassagen nach (auch der rührende Satz "Gott, steh deinem Diener Onfim bei" kommt vor). 17 Birkenrinden von Onfim wurden von Archäologen gefunden, fünf ausschließlich mit Text, der Rest auch mit Zeichnungen.

Onfim bleibt unvergessen

Während die Existenz und die herzigen Hinterlassenschaften des Jungen Onfim für viele Twitter-Nutzer offenbar neu und ergreifend waren, ist der Siebenjährige aus dem Jahr 1220 in seiner Heimat durchaus eine Persönlichkeit: In Novgorod gibt es sogar eine kleine Bronzestatue, die ihn mit einem Stift und einem Stück Birkenrinde in der Hand zeigt. Was jedoch niemand weiß: Was aus Onfim später wurde. Wurde er alt? Gründete er eine Familie? Zog er zusammen mit seinem Freund Danilo als stolzer Ritter durch die Lande? Leider ist dazu nichts bekannt.

Quelle:  TwitterWikipedia

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos