Columbia-Katastrophe Hinweise auf Defekt am Hitzeschild

Nach dem Absturz der US-Raumfähre "Columbia" verdichten sich die Hinweise, dass ein Defekt am Hitzeschild zu der Katastrophe geführt haben könnte. Inzwischen wurden auch Leichenteile der sieben getöteten Astronauten geborgen.

Nach der "Columbia"-Katastrophe erhärtet sich der Verdacht, dass Schäden am Hitzeschild die Raumfähre mit sieben Astronauten ins Verderben gerissen haben. Zeugen sahen Teile vom Shuttle abspringen, bevor es hoch über Texas zerbrach und verglühte. Bereits am fünften Tag der 16-tägigen Mission waren nach einem israelischen Zeitungsbericht lange Risse am linken Flügel der "Columbia" zu sehen gewesen. Leichenteile der Astronauten wurden bis Montag an mindestens drei Stellen in Texas gefunden. Nach der Katastrophe sind die Zukunft der Internationalen Raumstation ISS und die finanziellen Auswirkungen ungewiss.

Der letzte Funkverkehr

Die "Columbia" hatte kurz vor 14.54 Uhr (MEZ) den letzten Funkkontakt mit dem Kontrollzentrum in Houston. Die Mitschrift hat einer inoffiziellen Übersetzung der Nachrichtenagentur AP zufolge folgenden Wortlaut: Kontrollzentrum: "Columbia, Houston, wir sehen eure Reifendruck-Meldungen und wir haben die letzten nicht verstanden." Columbia: "Verstanden, uh, ..."

(Die Verbindung bricht ab, nachdem das Besatzungsmitglied beginnt, ein Wort zu sagen, das wie "buh" klingt.)

Wenige Minuten vor dem Desaster hätten mehrere Zeugen Shuttle- Teile abspringen sehen, sagte NASA-Programm-Manager Ron Dittemore in Houston (Texas). Die Unglücksursache könne eine Beschädigung auf der linken Seite der Fähre beim Start am 16. Januar gewesen sein, bestätigte Dittemore. Ein Stück weiches Isoliermaterial war von einem der Außentanks abgerissen und gegen die linke Tragfläche geprallt. Ein in der israelischen Tageszeitung "Maariv" veröffentlichtes Bild zeigte einen Riss im Flügel. Ein Reparatur im All wäre ohne spezielles Werkzeug unmöglich gewesen, sagte der erste deutsche Kosmonauten Sigmund Jähn im Inforadio Berlin-Brandenburg.

Um 14.54 MEZ, 22 Minuten vor der geplanten Landung in Cape Canaveral (Florida), sei am vergangenen Samstag die Temperatur auf der linken Seite des Raumfahrzeugs unnormal stark um fast 16 Grad Celsius gestiegen, berichtete NASA-Manager Dittemore. Der Luftwiderstand nahm auf der linken Seite zu, die "Columbia" bekam einen Linksdrall. Das Kontrollsystem leitete ein Flugmanöver nach rechts ein. Wenig später sei der Kontakt zur Raumfähre abgebrochen. Dittemore warnte aber vor verfrühten Schlussfolgerungen. Die NASA erhoffte sich weitere Aufschlüsse von Computer-Daten, die 32 Sekunden lang nach dem Verlust des Funkkontaktes registriert wurden.

Leichenteile gefunden

Inzwischen sind an mindestens drei Stellen in Texas in der Nähe der Grenze zu Louisiana Leichenteile einiger Astronauten gefunden worden. Sie wurden auf den Luftwaffenstützpunkt Barksdale im US- Bundesstaat Louisiana gebracht und sollen genetisch untersucht werden. Die Suche nach den Tausenden von Trümmern der Raumfähre, die vor allem in Texas niedergegangen waren, erweist sich als Sisyphusarbeit. Es gab Hunderte von Orten mit teilweise tausenden Trümmerteilen - zum Teil in dicht bewaldeten Gebieten und einem großen Wasserreservoir. Mitarbeiter von Polizei und lokalen Sheriffbüros, Nationalgarde, Studenten und viele freiwillige Helfer sind an der Suche beteiligt.

"Noch in zehn Jahren werden die Menschen hier Teile der Fähre finden", sagte James Kroll von der Stephen-F.-Austin-Universität der Zeitung "Fort Worth Star-Telegram". Krolls Team kartografiert die Fundstellen. Geborgene Teile werden an drei Stellen gesammelt, darunter in Barksdale. Nach dem Angebot angeblicher Wrackteile beim Internetauktionsdienst eBay warnte die NASA vor einem rechtswidrigen Verkauf von Regierungseigentum. Zudem seien die Trümmer zum Teil giftig. Nach Einschätzung des Projektleiters Raumfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Klaus Berge, sind die Trümmer nicht giftig; entsprechendes Material sei nicht an Bord gewesen.

Trauerfeier am Dienstag

Die NASA wird am Dienstag auf einer Trauerfeier im Johnson Space Center in Houston der toten Astronauten gedenken. US-Präsident George W. Bush und seine Frau Laura wollen daran teilnehmen. Bushs Sprecher Ari Fleischer sagte, bei aller Trauer werde die Katastrophe nicht die Irak-Politik beeinträchtigen. Das Unglück hatte erstmals seit Wochen die Schlagzeilen über einen drohenden Krieg gegen den Irak in den Hintergrund gedrängt. "Der Präsident sieht keinen Zusammenhang (der Tragödie) mit anderen Ereignissen in der Welt", sagte Fleischer der "New York Times". NASA-Chef Sean O’Keefe wollte am Montag mit Präsident Bush über die Spurensuche und die Zukunft der Raumfahrt beraten, nachdem alle Raumflüge mit US-Shuttles ausgesetzt wurden.

Shuttle-Flüge sollen weitergehen

Die NASA will die Shuttle-Flüge zur Internationalen Raumstation ISS so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Sobald die Ursachen der Katastrophe bekannt und korrigiert seien, würden die Flüge zügig weitergehen. Nach der "Challenger"-Explosion im Januar 1986 war die Shuttle-Flotte zweieinhalb Jahre auf dem Boden geblieben

Auf dem Spiel steht auch die internationale Raumstation ISS. Die Auswirkungen auf die europäische Beteiligung hielten sich in Grenzen, wenn die Shuttle-Flüge nicht "allzu sehr" verschieben, sagte der Direktor für bemannte Raumfahrt der European Space Agency (ESA), Jörg Feustel-Büechl, dem Dienst "tagesschau.de". DLR-Projektleiter Berge hatte zuvor der dpa gesagt: "Falls sich die Planung um ein Jahr verzögert, kostet das den deutschen Beteiligten rund 250 Millionen Euro." Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS befürchtet keine deutlichen Einbußen durch die "Columbia"-Katastrophe.

Die geplante Reise eines ESA-Astronauten zur ISS im Juli wird sich nach Angaben Feustel-Büechls voraussichtlich verzögern. Auch der für 2004 geplante Start des europäischen Weltraumlabors "Columbus" werde wohl verschoben, sagte ein Sprecher der Bremer EADS-Tochter Astrium. Der europäische Beitrag zur ISS werde aber weiter wie geplant in Bremen gebaut und im März 2004 ausgeliefert.

Die US-Regierung will im Haushaltsjahr 2003 nach Angaben von Beamten eine Steigerung von 470 Millionen Dollar für die NASA vorschlagen, die einen Gesamtetat von rund 15 Milliarden Dollar hat. Zuvor hatte es erhebliche Kritik an angeblichen Sicherheitsmängeln und veraltetem Material bei der NASA als Folge knapper Gelder gegeben.

Russland will seine Touristenflüge ins All aussetzten, da Raumfahrer die Internationale Raumstation ISS vorerst nur mit den russischen Kapseln "Sojus-TM" erreichen können. Für 2003 stehen aber nur zwei Raumschiffe zur Verfügung.

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