Der Meteorologe und ARD-Moderator Jörg Kachelmann fordert, die Bevölkerung früher und eindringlicher vor drohenden Unwettern zu warnen. Den Behörden wirft er Zögerlichkeit und eine übervorsichtige Informationspolitik vorHerr Kachelmann, auf das Hochwasser folgt der Krieg der Wetterfrösche. Haben die Propheten versagt?
Versagt haben sie nicht, aber es wurde viel Zeit verloren, die man nicht hätte verlieren dürfen.
Wann haben Sie die verheerende Elb-Flutwelle kommen sehen?
Am Sonntag, den 11. August, 12.45 Uhr haben wir vor unwetterartigen Regenfällen, Überschwemmungen und Erdrutschen gewarnt. Um 13.59 Uhr kam der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit der »Vorwarnung« einer Unwetterwarnung.
Warum ist daraufhin nicht sofort etwas passiert?
Weil Sonntag war. Da lockt eine Vorwarnung keinen hinter dem Ofen vor. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir einigermaßen, einen Tag später auch im Ausmaß ganz genau, dass furchtbare Dinge passieren würden. Seit Dienstag, 13. August, habe ich gesagt, dass die Flutwelle Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg und Niedersachsen erreichen wird. Doch meinten diese Länder, dass wenig bis gar nichts passieren würde.
Die Konkurrenz wirft Ihnen Panikmache vor.
Wir machen keine Panik. Am Donnerstag, 15. August, haben wir den ganzen Tag gewarnt, dass der Pegelstand in Dresden über neun Meter steigen wird. Die Behörden haben noch abends im ZDF bis zum bitteren Ende 8,70 Meter angekündigt. Neun seien unseriös. Am Freitag waren es 9,29 Meter, am Samstag sogar 9,40 Meter.
Es hieß, Ihnen sei ein Maulkorb verpasst worden. Von wem?
Der Maulkorb ist nicht mir verpasst worden. Doch die Warnungen meiner Mitarbeiter vor der Flutwelle wurden am Dienstag und Mittwoch von manchen Kunden der elbabwärts gelegenen Bundesländer nicht ausgestrahlt, weil die Experten der Länder Entwarnung gegeben hatten. Man wollte in einer Sendung nicht zwei sich widersprechende Meinungen bringen.
Werden Unwetterwarnungen in Deutschland zu spät gegeben?
Wenn der Deutsche Wetterdienst eine Unwetterwarnung rausgibt, werden THW, Feuerwehr, Polizei und so weiter alarmiert. Ein riesiger Apparat setzt sich in Bewegung. Deswegen sagen die AmtsMeteorologen immer wieder: »Nur wenn wir 100-prozentig sicher sind, machen wir es.«
Umso häufiger warnen dafür Sie.
Nur wenn es die eigentlich Zuständigen nicht tun. Die Behördenregel »Nur keine Panik machen« hilft den Menschen nicht. Zeit ist ein wichtiges Gut. Wenn die Leute drei, vier, fünf Tage Zeit haben, können sie schon ihre Möbel in Sicherheit bringen.
Ist es denn Aufgabe eines Wetterdienstes, Verhaltensratschläge zu geben?
Es ist niemand böse, wenn er seine Möbel zwei Etagen höher geräumt hat und das Wasser dann doch nicht so hoch steigt. Die Pegelstände laufend nach oben zu korrigieren und immer den besten Fall anzunehmen ist meines Erachtens die zweitbeste Lösung.
Haben Sie das Ausmaß dieser Flut vorausgesehen?
Am 12. August ja. Meteomedia hat Zugriff auf 530 Wetterstationen, 340 mehr als der DWD hat, deswegen wussten wir da, dass eine Katastrophe bevorstand.
Interview: Matthias Weber