Jugend forscht Die Preisträger - und was aus ihnen wurde

Sie haben Schmetterlinge beobachtet, lange Nächte vor dem Computer verbracht oder Museumskeller durchforstet. Dafür wurden sie Sieger bei "Jugend forscht". Heute sind die Preisträger von damals Professoren, Unternehmer oder Minister.

"Durch 'Jugend forscht' habe ich gelernt, konkret auf ein Ziel hinzuarbeiten"

Gut, dass es keinen Baum der Erkenntnis gibt. Stefan Mörsdorf hätte ihn längst abgefackelt. Zündelnd kam er als Schüler zu seinem ersten Forschungsthema: Auf Wiesen seiner Heimat im Saarland legte er immer wieder kleine Brände. Und stellte fest, dass auf den versengten Flächen andere Pflanzen sprossen als drumherum. "Einfluss von Feuer auf Borstgrasrasen" hieß seine erste Arbeit, die er 1978 bei "Jugend forscht" anmeldete. 1981 gewann Mörsdorf mit seinem "Artenschutzkonzept für den Raum Schiffweiler" den Sonderpreis Umweltschutz.

Mörsdorf studierte Geografie und arbeitete nebenher als ehrenamtlicher Umweltschützer. Zehn Jahre lang war er Vorsitzender des Naturschutzbunds im Saarland. 1999 holte der neue CDU-Ministerpräsident Peter Müller den Praktiker in die Politik. Seither ist Stefan Mörsdorf saarländischer Umweltminister.

Pascal Merle

"Für den Wettbewerb konnte ich ein spannendes Thema bis ins Detail erforschen"

Mit sieben Jahren saß Pascal Merle schon in der Universität. Beim Vater am Mainzer Institut für Kernphysik probierte er die Computer aus: "Einmal hätte ich fast die ganze Anlage zum Absturz gebracht." Mit gerade einmal 14 Jahren präsentierte er sein erstes "Jugend forscht"-Projekt - zwischen lauter 16- bis 21-Jährigen. Sein "Cross-C-Compiler für TMS99xxx-Mikroprozessoren unter UNIX" beeindruckte die Jury: Die Software übersetzte eine komplizierte Programmiersprache in einfache Befehle, etwa für Computerprozessoren.

Bei der Preisvergabe zierten sich die Juroren allerdings: "Sie wussten nicht so recht, ob mir nicht doch jemand geholfen hatte." Erstmals in der Geschichte von "Jugend forscht" blieb deshalb das oberste Treppchen leer. Merle bekam als jüngster Sieger aller Zeiten nur den 2. Platz. Ein Jahr später war der Schüler schon Unternehmer und verkaufte Programme an BASF und Merck. Inzwischen entwickelt Merle Anlagen für Internet-Telefonie: "Ich glaube, vom Festnetz müssen wir uns verabschieden. Internetkabel sind einfach schneller und besser. Man reitet ja heute auch nur noch zum Spaß auf Pferden und fährt ansonsten Auto."

Gisela Anton

"Bei 'Jugend forscht' haben wir einen anderen Blick auf die Welt gelernt"

Archimedes soll es in der Wanne erwischt haben: Dort fiel ihm auf, dass jeder Körper Wasser verdrängt und dabei leichter wirkt. Ähnlich kam Gisela Anton - damals noch Gisela Glasmachers - zu ihrem "Jugend forscht"-Projekt: "In einem Fluss schwamm ein Holzbalken, und zwar völlig schief." Die physikbegeisterte 20-Jährige fand heraus, dass leichte Balken waagerecht auf dem Wasser treiben, während etwas schwerere Balken mit einer Kante nach oben herumschlingern. Erkenntnisse, die ihr 1975 den Bundessieg in Physik brachten. Und die Bekanntschaft mit Frank Anton, der im selben Jahr den 1. Platz im Fach Technik belegte.

Sie entdeckten auch sonst viele Gemeinsamkeiten. Beide beginnen, Physik zu studieren - und heiraten ein paar Jahre später. Drei Kinder haben sie großgezogen, mit tatkräftiger Unterstützung der Großeltern. Der Spagat zwischen Familie und Forschung ist Gisela Anton gelungen: Für ihre Erkenntnisse über Elementarteilchen erhielt sie 1994 den Leibniz-Preis, die höchstdotierte Auszeichnung der deutschen Wissenschaft.

Volker Sommer

"Bei 'Jugend forscht' habe ich Professoren kennen gelernt, mit denen man ganz normal reden konnte"

Tierforscher mit Pagenschnitt: 1973 beschäftigte sich Volker Sommer mit dem Sozialverhalten von Schmetterlingsraupen Hinterm Haus begann die Wildnis: Direkt am hessischen Reinhardswald, dem Zauberreich der Grimmschen Märchen, wuchs Volker Sommer auf. Er durchstreifte die Natur und brachte meist etwas mit - Käfer, Schmetterlinge und anderes Kleingetier, das er im Garten der Eltern weiterzüchtete. Auch seine Objekte für "Jugend forscht" stammten aus diesem Minizoo: Raupen von "Tagpfauenauge" und "Kleiner Fuchs". Frisch geschlüpft, wärmen sie sich, später kriechen sie getrennte Wege, um sich nicht die Blätter wegzufressen: Das fand der Schüler 1973 heraus und gewann damit den Bundessieg in Biologie.

Im Labor wollte er nie landen: "Mich hat immer die Biologie der ganzen Organismen interessiert." Inzwischen ist Volker Sommer Professor für Anthropologie und Primatenforschung in London - und das Forschungsobjekt etwas größer: Menschenaffen, derzeit vor allem Schimpansen in Nigeria, für deren Schutz er sich vehement einsetzt.

Ulla Lohmann

"Die Teilnahme bei 'Jugend forscht' hat mich mit dem Reisefieber infiziert"

Ein ausgestorbener Lurch aus der Pfalz verhalf Ulla Lohmann zu ihrer ersten Weltreise: In Museumskellern und bei Ausgrabungen hatte die 19-Jährige nach 250 Millionen Jahre alten Fossilien der Amphibie gefahndet. Sie fand heraus, dass das Tier im Süßwasser paddelte, Fische und sogar Artgenossen fraß. Dafür erhielt die Abiturientin einen besonderen Preis von 'Jugend forscht', einen Forschungsaufenthalt im Urwald von Costa Rica und 1500 Mark, die sie in eine Weltumrundung investierte.

Nach anderthalb Jahren auf Tour begann sie ein Geografiestudium in Mainz. Doch das Reisefieber hielt an: Nach dem Vordiplom brach Ulla Lohmann nach Australien auf, um dort Umweltmanagement und Fotojournalismus zu studieren. Heute dreht sie Dokumentationsfilme über Vulkane oder die letzten Mumienmacher. "Ich will zeigen, dass man die Augen aufmachen muss, weil es überall so viel Spannendes zu entdecken gibt."

Andreas Schleicher

"Bei 'Jugend forscht' entwickeln Schüler aus theoretischem Wissen praktische Anwendungen"

Fast wär's nichts geworden mit der Hochschulkarriere: Als Andreas Schleicher die Grundschule beendete, waren seine Noten zu schlecht fürs Gymnasium. Sein Vater überzeugte die Lehrer, Andreas trotzdem aufzunehmen. Der begeisterte sich für Computer. Gemeinsam mit seinem Cousin Dierk Schleicher brachte er einem Rechner bei, Sprache in Schrift zu übersetzen.

Die Spracherkennung gewann einen Sonderpreis, und die Cousins wurden Forscher: Dierk ist heute Professor für Mathematik an der Internationalen Universität Bremen, Physiker Andreas erforscht im Auftrag der OECD die Bildung in den Industrieländern. Sein Traum: "Ein Bildungssystem, in dem Schüler individuell gefordert und gefördert werden. Und jeden Tag mit Begeisterung lernen."

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