Stuttgart und München hatten bereits die ab dem 1. Januar 2005 zulässigen Tagesmittelwerte von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft Feinstaubbelastung überschritten. Laut der neuen EU-Richtlinie darf die Grenze nur an maximal 35 Tagen im Jahr überschritten werden.
Nachdem einige betroffene Bürger gegen die jeweiligen Städte geklagt hatten, forderten die ersten SPD- und Grünen-Politiker Fahrverbote als Konsequenz. Eine drastische Maßnahme, die - wie die EU-Richtlinie selbst - sofort von Wirtschaftsvertretern als "konsumhemmend" gegeißelt wurde. Fahrverbote, so hieß es weiter, seien zudem "Signale, die nicht in ein wirtschaftliches Umfeld mit 5,2 Millionen Arbeitslosen passen".
Ultrafeine Partikel sind am gefährlichsten
Nicht nur Tagesmittelwerte schreibt die neue EU-Norm vor, auch langfristig muss die Luft besser werden: Der Jahresmittelwert darf 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht übersteigen. Wie das Umweltbundesamt in einem kürzlich veröffentlichten 23-seitigen Hintergrundpapier zum Thema Feinstaub schreibt, ist aber mit weiteren Verletzungen der EU-Grenzwerte zu rechnen.
Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft versteht man darunter Partikel mit weniger als 10 Mikrometern Durchmesser (das entspricht ungefähr dem Zehntel der Dicke eines menschlichen Haares). Obwohl es wissenschaftliche Belege gibt, dass mit Abnahme der Partikelgröße deren Gefährlichkeit steigt, differenziert der EU-Grenzwert hier nicht weiter, was die Partikelgröße angeht. Besonders großes Gefährdungspotenzial scheinen die sogenannten ultrafeinen Partikel zu besitzen: Teilchen mit einem Durchmesser kleiner als 0,1 Mikrometer. Laut Prof. Dr. Joachim Heyder vom Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) besitzen diese ultrafeinen Partikel ein "völlig neue Qualität". Es gibt Hinweise, dass sie über die Lunge sogar in den Blutkreislauf und die inneren Organe gelangen könnten.
Neue Messstationen braucht das Land
Was die Belastung mit den gefährlicheren feinen und ultrafeinen Partikeln angeht, war die Datenlage laut Amt noch zu unsicher. Doch existierten schon spezialisierte Messstellen, die Spitzenbelastungen in den Städten von 100 bis 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft durch Partikel mit weniger als 2,5 Mikrometer Größe gemessen hatten. Um auch in Zukunft verstärkt diese ultrafeinen Partikel besser überwachen zu können, wurden in den vergangenen Jahren vermehrt noch genauere Messstationen eingerichtet.
Allerdings zögerlich - während das Feinstaub-Messnetz im Jahr 2003 bei bereits 368 Messstationen bundesweit lag, gab es im gleichen Jahr zunächst nur 15 Ultrafeinstaub-Messstationen. Ein Weiterausbau war nach Auskunft von Marion Wichmann-Fiebig, Leiterin der Abteilung "Luft" des Umweltbundesamtes, aber bereits geplant. Sie schätzte die gegenwärtige Anzahl der Ultrafeinstaub-Messstationen auf vierzig bis fünfzig.
Das Umweltbundesamt legte in seinem Hintergrundpapier die Gründe für die Staubentwicklung ausführlich dar. Dabei waren neben industriellen Verursachern wie Verbrennungskraftwerken und Abfallverbrennungsanlagen in der Hauptsache der motorisierte Personen- und Schwerlastverkehr. Diesel-Lkw und -Pkw waren mit ihrem Rußpartikel-Ausstoß die dominierende Feinstaub-Quelle, vorwiegend auch im ultrafeinen Bereich. Das Umweltbundesamt bezifferte ihren Anteil an der innerörtlichen Belastung auf 50 Prozent. Aber auch der Abrieb von Reifen und Bremsen schlug mit 25 Prozent deutlich zu Buche. Das restliche Viertel stammte aus ferntransportierten Partikeln.
Industrieller Staubausstoß ist gesunken
Während seit der Wiedervereinigung vor allem im Ostteil des Landes der industrielle Staubausstoß durch Erneuerung der Feuerungs- und Industrieanlagen drastisch gesenkt wurde, stieg der verkehrsbedingte Anteil in den letzten fünf Jahren stark an. So bezifferte das Umweltbundesamt in einer Statistik, dass bereits im Jahr 2003 bei 38 Prozent aller Messstationen mehr als die zulässigen 35 Überschreitungen der 50-Mikrogramm-Grenze verzeichnet wurden. "An extrem belasteten Stationen", so hieß es weiter, "liegt die Zahl der Überschreitungen ungefähr drei mal so hoch, wie es laut Grenzwerten zulässig ist".
Auch die Reifen verursachen Staub
Während man im Umweltbundesamt hoffte, dem Rußpartikelausstoß mit entsprechenden Abgasfiltern beizukommen, war der 25-prozentige Anteil an der Staubbelastung bedingt durch Reifen- und Bremsenabrieb schwerer zu quantifizieren. Hier existierten laut Umweltbundesamt auch kaum Verbesserungsmaßnahmen, mit denen sich der Staubausstoß drosseln ließe. "Die Reifenentwicklung ist ein schwieriges und langwieriges Geschäft", sagte Wichmann-Fiebig. "Es gilt viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Wie ist das Fahrverhalten des Reifens? Wie reagiert er bei Nässe? Ein verminderter Reifenabrieb und eine damit verbundene längere Haltbarkeit wären aber natürlich auch wirtschaftlich im Sinne des Verbrauchers".
Doch was die Feinstaub-Belastung durch Reifenabrieb angeht, lag diese laut Wichmann-Fiebig "eher im groben Partikel-Bereich" und war damit nicht ganz so gesundheitsbelastend wie der ultrafeine Staub. Quellen für die gefährlicheren feinen und ultrafeinen Partikel sind Abgasemissionen, vorwiegend von Diesel-Fahrzeugen. Während es daher in dem Hintergrundpapier auch erst einmal hieß, dass "bei steigenden Fahrleistungen – unter anderem des Schwerlastverkehrs – mit einem weiteren Anstieg der Staubmenge zu rechnen" sei, hoffte man mit einer flächenweiten Einführung von Dieselrußfiltern auch gezielt bei den kleinen Partikeln eine Verbesserung der Luft zu erreichen. "Die Rußfilter arbeiteten im feinen und ultrafeinen Bereich äußerst effizient", versicherte Wichmann-Fiebig.
Rußfilter könnten nur europaweit verpflichtend werden
Während die deutsche Automobilindustrie auf freiwilliger Basis zugesagt hatte, alle neuen Diesel-Pkw und -Lkw bis zum Jahr 2008 auszustatten, hoffte man auf verpflichtende Maßnahmen europaweit. "Freiwillige Vereinbarungen ließen sich vorbereiten, aber einzelne Länder könnten da nicht vorpreschen. Verpflichtende Abgasgrenzwerte können nur EU-weit eingeführt werden", sagte Wichmann-Fiebig. "Die EU hat Vorgespräche mit der Automobilindustrie geführt. Eventuell wird noch dieses Jahr ein Gesetzesentwurf vorgelegt". Zunächst hoffte das Umweltbundesamt, dass mit steuerlichen Anreizen - auch in anderen EU-Ländern - die Umrüstung forciert wird.
Um die Feinstaubbelastung durch den Straßenverkehr zu drosseln, schlug das Umweltbundesamt neben der großflächigen Umrüstung mit Partikelfiltern noch logistische Maßnahmen vor, um die Innenstädte vom Personenverkehr zu entlasten. Bei hohen Belastungen sollten die Länder Aktionspläne entwickeln, wie man kurzfristig die Feinstaubbelastung senken kann. Bestandteile solcher Aktionspläne könnten Geschwindigkeitssenkungen, Umleitung des Schwerlastverkehrs aber auch Nassreinigung von Straßen sein.
"Ad-hoc-Maßnahmen sind Ländersache", sagte Wichmann-Fiebig. "Im Unterschied zur Belastung durch Ozon liegt beim Feinstaub keine akute Gesundheitsgefahr vor. Kurzfristige Maßnahmen wie Sperrung von Straßen halten wir daher nicht für förderlich. Wir empfehlen den Ländern langfristige Verkehrsmaßnahmen anzustreben, um auch langfristig die Luftbelastung zu senken."