Lichtblick am Golf von Mexiko: Elf Wochen nach Beginn der größten Ölkatastrophe in der US-Geschichte hoffen die BP-Experten, die Ölfontäne auf dem Meeresgrund endlich zu stoppen. Mehrere ferngesteuerte Roboter begannen in 1500 Meter Tiefe mit einer höchst komplizierten Operation, bei der ein riesiger Zylinder über das Leck gestülpt werden soll. Doch bis die Absaugvorrichtung richtig sitzt, strömt das Öl ungehindert ins Meer.
Wenn alles gut geht, soll nach Angaben von BP "alles, oder so gut wie alles" ausströmende Öl auf mehrere Schiffe abgesaugt werden. Derzeit fließen Schätzungen zufolge rund 8200 Tonnen Rohöl jeden Tag ins Meer und haben bereits weite Teile der US-Golfküste verseucht. Allerdings dauert es vermutlich mehrere Tage, bis klar ist, ob die Operation ein Erfolg ist - oder wie diverse, ähnliche Anläufe zuvor ebenfalls in einem Fehlschlag endet.
BP-Manager Kent Wells äußerte sich Stunden nach Beginn der Aktion am Sonntag vorsichtig optimistisch. "Bisher läuft es nach Plan." Weiter meinte er: "Wir hatten eine erfolgreiche Nacht und sind mit den Fortschritten zufrieden. In vier bis sieben Tagen haben wir den dichten Zylinder am Platz." Die Operation wurde per Video aufgenommen und war weltweit im Internet zu verfolgen.
Zunächst strömt mehr Öl ins Meer
Der neue Zylinder ist über 30 Meter hoch und wiegt rund 100 Tonnen. Es handelt sich den Angaben zufolge um ein System aus mehreren Dichtungen, mit denen der Ölstrom reguliert werden kann.
In einem ersten Schritt entfernten die BP-Ingenieure mit Hilfe von Robotern die bisherige Kappe über dem Leck. Diese saß seit Anfang Juni auf dem "Blowout Preventer" - dem riesigen Ventilsystem über dem Hauptbohrloch, das bei dem Unglück am 20. April versagt hatte. Da die bisherige Kappe aber nur lose auf dem Leck saß, konnte bisher lediglich ein Teil des austretenden Öls aufgefangen werden.
Nach dem Entfernen strömt zunächst mehr Öl als zuvor aus dem Leck - bis der neue Zylinder über dem Leck installiert ist. Wenn alles nach Plan laufe, könnte dies bereits am Montag oder Dienstag geschehen, sagte Chuck Wolf von der Einsatzleitung in New Orleans (Louisiana). "Wir sind vorsichtig optimistisch."
Tatsächlich steht BP beim Auswechseln der Deckel unter größtem Zeitdruck: Experten fürchten, dass sich das Wetter in den nächsten Wochen erheblich verschlechtern könnte. Es werden Hurrikans erwartet, die alle Rettungsarbeiten erst einmal stoppen würden.
Die Montage des neuen Deckels ist schwierig. So müssen Roboter einen Rohrstumpen mit zackigen Enden abschrauben, der aus dem "Blowout Preventer" ragt und bisher verhinderte, dass der bisherige "Hut" fest genug saß.
Drittes Schiff kommt eventuell zum Einsatz
BP will möglicherweise bereits vom Sonntag an ein drittes Schiff zum Absaugen des Öls aus dem Leck einsetzen. Der "Helix Producer" allein soll aus dem "Blowout Preventer" täglich mehr als 3400 Tonnen Öl aufnehmen.
Eine endgültige Lösung können aber erst die beiden Parallelbohrungen bringen, die Nebenzugänge zum Hauptbohrloch legen. Eine erste Bohrung könnte Ende des Monats ihr Ziel erreicht haben, so dass Schlamm und Zement zum endgültigen Versiegeln der Quelle eingeleitet werden könnten. Diese Aktion sei aber erst Anfang oder Mitte August abgeschlossen, heißt es.
Gelingt es dem Unternehmen tatsächlich, das Ölleck zu stopfen, könnte dies dem Kurs der gebeutelten BP-Aktie am Montag Auftrieb verleihen. Konkurrenten, die an Filetstücken des angeschlagenen Konzerns interessiert sind, dürften sich dadurch aber nicht abschrecken lassen - im Gegenteil. Denn erst nach einem Stopp des Ölflusses ließe sich näher beziffern, wie ernst die Lage von BP tatsächlich ist. Auch Investoren, die Anteile des Ölkonzerns zum Schutz gegen eine feindliche Übernahme erwerben sollen, wüssten erst dann genau, worauf sie sich einlassen. Am 27. Juli will BP seine Geschäftszahlen für das zweite Quartal vorlegen.