Die Menschen lieben Urzeittiere, am meisten natürlich Dinosaurier. Aber auch anderen Wesen der Evolutionsgeschichte schenken sie nur allzu gerne ihr Herz, vor allem dann, wenn die groß und skurril genug sind. Mammuts beispielsweise mögen wir, weil sie so schön zottelig waren und gemeinsam durch die Tundra trotteten. Unter prähistorischen Fischen wiederum gibt es bisher nur wenige, die Laien begeistern, etwa den Riesenhai Megalodon, der es als Super-Weißer-Hai ins Kino brachte.
Ein anderer spektakulärer Urzeitfisch war der sogenannte Säbelzahn-Lachs. Der rund 2,5 Meter lange Vorfahre von heutigen Forellen und Lachsen besaß neben seinem normalen Gebiss auch zwei markante Zähne, die wie die Fangzähne eines Säbelzahntigers nach unten ragten und ihm seinen umgangssprachlichen Namen einbrachte. Dachte man!
Doch offenbar hatten sich die Wissenschaftler bei der Orientierung der fulminanten Extra-Zähne geirrt. Neuere, vollständigere Funde von Schädeln des Riesen-Lachses, der etwa vor fünf bis zwölf Millionen Jahren lebte, und deren Auswertung per Computer-Tomografie zeigen jetzt, dass die vermeintlichen Säbel nicht wie vermutet senkrecht nach unten standen, sondern vielmehr wie große Dornen seitlich aus dem Kiefer herausragten. Welche Funktion sie dabei erfüllt haben könnten, darüber spekulieren die Paläontologen in einem aktuellen Artikel im renommierten Wissenschaftsmagazin PLOS One.
Urzeit: die Extra-Zähne dienten zur Abwehr und zum Angriff
Womöglich könnten sie dem kapitalen Fisch zur Verteidigung gedient haben. Wie heute lebende Lachse verbrachten auch die Ur-Lachse einen Großteil ihres Lebens im Meer und wanderten zur Paarungszeit flussaufwärts zum Laichen. Aufgrund ihres hohen Fettgehaltes waren sie vermutlich eine beliebte Beute, etwa von großen Haien. Doch wehrlos waren die Ur-Lachse offenbar mitnichten: Mit ihrem sehr muskulösen Körper konnten sie ihren Kopf kräftig von rechts nach links bewegen und damit ihre dornenförmigen Stoßzähne wie eine Hiebwaffe eingesetzt haben.
Darüber hinaus vermuten die Forscher, dass die Urzeit-Fische ihre seitlichen Zähne auch im Kampf um Paarungspartner nutzten. Bei modernen Lachsen sind es nur die Männchen, die zur Paarungszeit bestimmte Körperattribute entwickeln, etwa einen markanten, hakenförmigen Unterkiefer (sogenannte Hakenlachse) zum Beißen oder einen hohen Rückenkamm zur Abwehr von Attacken. Im Urzeitmeer und -fluss herrschte dagegen noch anatomische Gleichberechtigung, beiden Geschlechter wuchsen Stoßzähne am Kopf.
Urzeit-Lachs: Der Riese ernährte sich von winzigen Organismen
Möglicherweise haben die Fische ihre Extra-Zähne auch wie eine Art Pflug verwendet, um damit nahrhaftes Sediment aufzuwühlen. Im Gegensatz zu den modernen Lachsen und Forellen, die sich räuberisch von Insekten ernähren, vertilgten ihre Vorfahren wohl in erster Linie Plankton oder schon halbwegs zersetzte Überreste von anderen Organismen, die auf den Grund der Gewässer regneten, in denen sie lebten. Dass Fische und auch im Wasser lebende Säugetiere, die kleine Nahrung fressen, eine stattliche Größe erreichen können, belegen Walhaie, Manta-Rochen und Bartenwale eindrucksvoll.
Vom Bild des schwimmenden Säbelzahn-Fisches mussten sich die Wissenschaftler aufgrund der neuen Ergebnisse notgedrungen verabschieden. Dennoch bleibt der große Ur-Lachs ein eindrucksvolles Relikt der Evolutionsgeschichte. Und zwei stattliche seitliche Stoßzähne sind ja schon auch recht spektakulär.