Inside Pflege Anordnungen, Aufnahmestopp, Zwangsgelder. Was ist los im Alloheim Bramsche?

Ein Pflegeheim im niedersächsischen Bramsche machte vor Monaten Schlagzeilen: Das Rote Kreuz musste anrücken, um das Wohl der Bewohner sicherzustellen. Der Fall hat eine Vorgeschichte.
Alloheim Senioren-Residenz in Bramsche Montage
Das DRK rückte mit 19 Helfern an, um die Bewohner der Alloheim Senioren-Residenz in Bramsche zu versorgen – bis der Spätdienst kam
© stern-Montage, Fotos: NWMTV

Am 1. Juni, früh am Sonntagmorgen, machte die Alloheim Senioren-Residenz in Bramsche Schlagzeilen: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) musste in der niedersächsischen Provinz anrücken. Denn das Pflegeheim eines der größten deutschen Betreiber hatte an diesem Tag plötzlich nicht mehr genügend Personal vor Ort, um die 89 Bewohner zu versorgen. Nun zeigen Recherchen von stern und RTL: Einige Probleme, die damals öffentlich wurden, waren offenbar nur die Spitze eines Eisbergs.

Auf seiner Homepage schreibt Alloheim, die Bewohner des Heims in Bramsche würden "liebevoll umsorgt", von einer "behaglichen familiären Atmosphäre" ist die Rede. 

Eine Illustration zu den Misständen im Pflegeheim
Einige Heime von Alloheim fielen auch schon der örtlichen Heimaufsicht auf (Symbolbilder)
© stern-Montage: Illustration: Marta Kochanek / Gibson; Fotos: Adobe Stock; Getty Images (2)
Undercover bei Alloheim. Das zynische Geschäft mit der Pflege
© RTL

Alloheim Senioren-Residenz Bramsche: Nur ein vorübergehender Engpass?

Ob das an jenem 1. Juni auch der Fall war? Nur eine Mitarbeiterin erschien zum Frühdienst. Sechs weitere Pflegekräfte sollen sich kurzfristig krankgemeldet haben. Die Heimleiterin bat darauf die Rettungsleitstelle um Hilfe. Das DRK rückte mit 19 Helfern an, um die Bewohner zu versorgen – bis der Spätdienst kam. 

Eine Ausnahmesituation, so stellt es der Betreiber Alloheim auf Anfrage von stern und RTL dar. Die Versorgung der alten Menschen sei "zu jeder Zeit gewährleistet" gewesen. Die "etablierte Alarmierungskette" zwischen Heim und DRK habe "wie vorgesehen" funktioniert. Zudem hätten zwei Mitarbeiter vom Nachtdienst die Kollegin unterstützt. Noch am Vormittag habe man das DRK durch eigenes Personal ersetzen können. 

Also nur ein vorübergehender Engpass in einem sonst gut funktionierenden Heim? 

Bis Ende September kam die Heimaufsicht 35 Mal ins Alloheim Bramsche

Recherchen des stern ergeben ein anderes Bild der Zustände in der Seniorenresidenz: Demnach scheint die Heimaufsicht das Heim seit Jahren wegen wiederholter Missstände im Visier zu haben. Seit 2023 hat sie – nach Angaben des Landkreises Osnabrück, der für die Heimaufsicht zuständig ist – Dutzende Male kontrolliert. Und dabei teils schwerwiegende Mängel festgestellt. 

Neunmal kam die Aufsicht im Jahr 2023. Elfmal im Jahr 2024. Und in diesem Jahr bis Ende September: 35 Mal. Immer wieder sei es dabei um den Umgang mit Medikamenten gegangen, einige Male auch um Personalmangel und dessen mögliche Auswirkungen, sagte ein Amtssprecher. Trotz mehrfacher Beratungen habe die Aufsicht bei mehreren Mängeln "keine deutliche Besserung" feststellen können. Daher habe sie "die Kontrolldichte erhöht".  Und "diverse Aufnahmestopps" zeitweise verhängt.

Im März 2024 beispielsweise soll die Heimaufsicht demnach mehrere Beschwerden über Personalmangel erhalten haben. Weil sich der Personalmangel bestätigte, ordnete die Heimaufsicht einen Aufnahmestopp an. Es durften zeitweise keine neuen Bewohner mehr aufgenommen werden. 

Alloheim Senioren-Residenzen bestätigte gegenüber dem stern und RTL, dass es Ende März 2024 wegen einer "vorübergehenden personellen Unterdeckung" einen Belegungsstopp gegeben habe. Der sei aber nach sieben Wochen "vorzeitig wieder aufgehoben" worden. Seitdem beschäftige man in Bramsche "durchschnittlich mehr Personal als vorgeschrieben". 

Auch am 2. Juni dieses Jahres, also einen Tag nach dem medienträchtigen Noteinsatz, kamen die Prüfer erneut zu einer "anlassbezogenen" Prüfung. 

Alloheim Bramsche: Prüfer stellten wohl Mängel im Umgang mit Medikamenten fest

Es sei zwar wieder genug Personal vorhanden gewesen, allerdings stellten die Prüfer dort wohl Mängel im Umgang mit Medikamenten fest. Grundsätzlich sollten Medikamente von Bewohnern im verschlossenen Schrank gelagert werden und entsprechend den Vorgaben des Medikamentenplans an den jeweiligen Bewohner ausgeteilt werden. Schlamperei kann hier auch schnell mal gefährlich werden – wenn beispielsweise eine zu hohe oder zu niedrige Dosis ausgeteilt oder das Medikament zu früh abgesetzt wird. 

Weil die Anordnungen für den "ordnungsgemäßen Umgang mit Arzneimitteln" offenbar keine hinreichende Verbesserung brachten, setzte das Amt inzwischen sogar Zwangsgelder fest.

Collage mit Bildern aus stern-Recherchen
© Collage: Nikolas Janitzki

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Vor wenigen Wochen, Anfang September 2025, gab es laut dem Sprecher des Landkreises, eine neuerliche Überprüfung. Und die habe ergeben, dass die Mängel – etwa im Umgang mit Arzneimitteln – noch immer nicht vollständig behoben wurden. Die Heimaufsicht prüft eigenen Angaben zufolge auch "weitere Schritte". Das Heimgesetz bietet dazu noch einige Möglichkeiten: etwa weitere Zwangsgelder, ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Oder, im Extremfall, die Schließung. Die Maßnahme müsse aber, so der Sprecher des Landkreises, "verhältnismäßig" sein.

Alloheim erklärt gegenüber stern und RTL, man sei zu den aktuellen Anordnungen mit der Heimaufsicht "im Austausch". Das Unternehmen arbeite außerdem in enger Abstimmung mit der Behörde und mit zusätzlichen Fachkräften daran, das Medikamentenmanagement zu verbessern. Zudem habe Alloheim die verantwortlichen Stellen neu besetzt. Dies zeige nun "erste Wirkungen". 

Das gesamte Rechercheteam: Nicolas Büchse, Ingrid Eißele, Emily Geisler, Sabine Greul, Lisa Jansen, Caterina Sack, Alexander Römer, Günter Wallraff
Koordination: Olaf Schirmeyer, Marc Neller
Verifikation: Michael Lehmann-Morgenthal, Christian Schwan

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